CHIC-Start-up entwickelt Geschichtsunterricht der Zukunft
Die Agentur Historicity will auf spielerische Weise historisches Wissen vermitteln
Per App oder Tablet sollen die Nutzenden neu für geschichtliche Inhalte begeistert werden. Diese bleiben durch gutes Storytelling viel besser im Kopf, finden die beiden Co-Founder.
Der Junge mit dem roten Wuschelhaar ist etwas vorlaut. Aber sein Tatendrang und seine Gewitztheit machen ihn direkt sympathisch. Der Kleine nennt sich „Friedrich“. Zusammen mit seinem treuen Begleiter – einem sprechenden Hund – ist er unterwegs durch das mittelalterliche Kaiserslautern. Sein Auftrag: Den Holzfisch wiederzufinden, den er achtlos verschludert hat. Nur wenn er den Talisman wiederfindet, kann er sich die Gunst seines Vaters zurückverdienen – und dessen Thronfolger werden.
Beim Kind geht es um Friedrich I., der in die Geschichtsbücher eingegangen ist als Barbarossa: im 12. Jahrhundert Herrscher über das Heilige Römische Reich. Seine – historisch natürlich nicht ganz belegte – Fahndung nach dem Holzfisch begleitet man als App-User auf dem Bildschirm des eigenen Smartphones.
Die Applikation „Kaiserslautern entdecken“ ist eines der Projekte von Nele Diekmann und Marcel vom Lehn, die gemeinsam „Historicity“ gegründet haben. Vom Charlottenburger Innovations-Centrum (CHIC) aus will die Agentur Lehrinhalte lebendiger aufbereiten, etwa per Audioguide oder Augmented Reality, also einer per Tablet oder Smartphone erweiterten Realität.
„Barbarossa hat im Mittelalter eine sogenannte Kaiserpfalz in Kaiserslautern geründet und die Stadt bis heute geprägt“, sagt Diekmann. Den jungen Barbarossa können App-Nutzende begleiten und so historische Orte Kaiserslauterns kennenlernen, zum Beispiel den Humbergturm oder die Fruchthalle. Beide Bauwerke wurden erst nach Barbarossas Tod errichtet. Doch die strikte Einhaltung chronologischer Abfolgen oder exakt quellengetreue Dialoge seien für die Wissensvermittlung oft nicht entscheidend, findet Marcel vom Lehn: „Wir nutzen fiktive Dialoge, um auf spielerische Weise reales historisches Wissen zu vermitteln“, sagt der Historiker.
Die beiden Founder sind sich einig: Mit kurzweiligen Stories macht Geschichtsunterricht mehr Spaß und bleibt im Kopf, ob bei Kindern oder Erwachsenen. „Hierzulande gibt es die Tendenz, im Bildungsbereich etwas misstrauisch gegenüber unterhaltsamen Formaten zu sein“, sagt Diekmann.
So herrsche im Museumsbereich oft ein textbasiertes und damit komplexes Vermittlungsgerüst vor. „Gerade im Streaming- und Internetzeitalter müssen wir Geschichten viel visueller denken, damit sie auch verfangen.“
Ein Prinzip, das zunehmend gefragt ist. Quer durch Deutschland arbeitet Historicity mit Städten, Museen und Kulturinstitutionen zusammen, um historische Inhalte browserbasiert oder per App auf spannende Weise darzustellen. Vom Lehn und Diekmann kooperieren mit einem Netzwerk von Fachleuten – Grafikerinnen, Sprechern, App-Produzentinnen –, um für die Auftraggeber die passende Multimediaführung zu entwickeln.
So haben die beiden für eine App des Tourismus-Vermarkters Visit Berlin etwa historische Zusammenhänge über moderne Architektur aufbereitet. Im baden-württembergischen Herrenberg entwickeln sie derzeit fürs Stadtmuseum interaktive Elemente fürs Tablet, mit dem die Gäste dann mit den Figuren im Museum in Kontakt treten können.
Bei der Konzeption ist Marcel vom Lehn meist für die historische Recherche zuständig, Nele Diekmann kümmert sich um den Storytelling-Part. „Aber die Zuständigkeiten sind fließend“, sagt vom Lehn. „Uns geht es darum, die Geschichten in den Vordergrund zu rücken und die Inhalte dadurch zugänglicher zu machen.“
Der kleine Friedrich darf sich nach einer Tour durch Kaiserslautern darüber freuen, dass er den Holzfisch aufgestöbert hat, seinem Erbe als neuer König steht nun nichts mehr im Wege. Dass er dem App-Nutzenden nebenbei die Stadt Kaiserlautern gezeigt hat – umso besser.
Shea Westhoff für POTENZIAL
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