Adlershof im Licht
Unsichtbar macht sichtbar
Das universelle Medium des Informationszeitalters ist selbst unsichtbar und macht doch alles Sichtbare sichtbar. Licht ist heute in Wissenschaft und Wirtschaft ein selbstverständliches Standardwerkzeug. Mit Licht werden Daten gespeichert, transportiert und lesbar gemacht. Die Messtechnik verwendet Licht, um Schadstoffe nachzuweisen und Produkteigenschaften zu prüfen. Mit Licht wird dickster Stahl geschweißt, gebohrt und gefräst. Die Photovoltaik gewinnt aus Licht Energie. Mit Licht werden Augen, Haut und Zähne operiert. Ohne Licht läuft heute nichts mehr. Das gilt für industrielle Hochtechnologie wie für die Grundlagenforschung an der Grenze des Wissens.
„Wir nutzen Licht, um mehr über die Struktur der Materie zu erfahren“, sagt Thomas Elsässer, Direktor des Max-Born-Instituts für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie (MBI). An seinem Institut forschen Wissenschaftler mit extrem kurzwelligen Lichtimpulsen sehr hoher Intensität. An der Erkenntnisgrenze braucht man heute solche extrem schnellen Blitze. Etwa, wenn man wissen will, was bei chemischen Reaktionen auf atomarer Ebene passiert. Hier geht es um Reaktionszeiten im Bereich von Bruchteilen einer Picosekunde. Eine Picosekunde ist eine Tausendstel-Nanosekunde. In dieser Zeit kommt ein Lichtstrahl so weit, wie ein Sandkörnchen dick ist – das gleiche Licht, das in gut einer Sekunde bis zum Mond kommt. Hier befinden sich die Wissenschaftler in einem Bereich, wo sie nur noch mit optischen Messtechnologien weiterkommen. Elektronik allein hilft hier nicht mehr weiter. Das Photon hat hier das Elektron abgelöst.
Wechselwirkung von Licht und Materie
Licht im leeren Raum aber ist für den Wissenschaftler uninteressant. „Uns interessiert die Wechselwirkung von Licht und Materie“, sagt Elsässer. Genauer: Was mit Elektronen passiert, die in Schwingung gebracht werden: Sie strahlen Licht ab, normalerweise in der gleichen Farbe, mit der sie bestrahlt, also beeinflusst worden sind. Aber bei sehr starker Beeinflussung passiert etwas Seltsames: die Farbe der Abstrahlung verändert sich, ein grundlegendes Phänomen der nicht-linearen Optik.
Vor hundert Jahren war Berlin mit der AEG, Siemens und Osram die Stadt des Lichts. Damals war Licht noch etwas Selbstverständliches. Heute kann es manipuliert und gebändigt werden: So kann es die größten Kräfte ausüben – und ist andererseits zu feinster Präzision fähig. Möglich gemacht hat das der Laser, dessen physikalische Grundlagen von Albert Einstein 1917 in Berlin gelegt wurden. Erfunden wurde der Laser dann um 1960 in den USA. Der Laser erlaubt es heute, kohärentes, homogenes Licht zu erzeugen.
Das Verhältnis von wissenschaftlicher Erkenntnis und Messung ist seit dem 20. Jahrhundert nicht mehr selbstverständlich. Es ist kompliziert geworden. Das zeigt sich beim Arbeiten mit Licht ganz besonders deutlich: Der Gegenstand, um den es geht, ist der Gleiche wie der, mit dem er beobachtet und gemessen wird. Die Messung ist nicht mehr schneller als das Experiment selbst. Jeder Fortschritt hängt ab von den Messverfahren. „Der Wissenschaftler ist heute immer auch ein Techniker, der sich um die Messung Gedanken machen muss“, sagt Elsässer.
In Adlershof ist beides gut vertreten, Forschung und Messung. Hier sitzen Institute wie das MBI oder das Ferdinand-Braun-Institut für Höchstfrequenztechnik (FBH), oder auch Bessy, der Elektronensynchrotronspeicherring. Messen und Prüfen ist die besondere Aufgabe der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt. Alle diese Forscher wiederum sind angewiesen auf hochspezialisierte Unternehmen: Zulieferfirmen, die die Messgeräte für Forschungsinstitute herstellen.
Lichtbündelung in Adlershof
Der Wettbewerb ist weltweit und äußerst hart. Schon kleine Firmen müssen global agieren. Wirkliche Wertschöpfung geschieht dabei erst dann, wenn es gelingt, ganze Systeme anzubieten. Hierfür ist Adlershof prädestiniert. „Inzwischen ist Adlershof einer der führenden Standorte für Erforschung und Entwicklung von Licht-Technologien weltweit“, sagt Thomas Elsässer. Hier ist die gesamte Wertschöpfungskette vertreten: von der Grundlagenforschung über hochspezialisierte Zulieferfirmen bis hin zu kommerziellen Hightech-Firmen, die den Massenmarkt beliefern. „Am Ende der Kette steht immer die Kommerzialisierung“, sagt Norbert Langhoff, Gründer und Geschäftsführer der IFG GmbH, die mit Messgeräten für Forschungsinstitute groß geworden ist.
„Die Forschung geht Hand in Hand mit dem Fortschritt der Messtechnik“, sagt Langhoff. „Darum brauchen wir den engen Kontakt zu den Forschungsinstituten.“ IFG ist Spezialist in der Röntgenfluoreszenzanalyse. Feine, konisch geformte Glas-Kapillaren dienen dazu, einen Röntgenstrahl zu fokussieren – ein wichtiges Hilfsmittel für Elektronenmikroskope, wie sie in der Materialprüfung verwendet werden.
Zukunftsperspektiven in der Medizin
Die Firma LTB wiederum ist Spezialist für Laser-Spektroskopie. Diese Technik macht sich zunutze, dass jedes Atom ein spezifisches Emissionsspektrum aufweist. Ohne Berührung und auf große Entfernungen lassen sich so Materialproben analysieren, selbst mit extrem kleinen Spuren, im Atom-Bereich. So lässt etwa prüfen, ob ein Edelstein echt ist. Der große Vorteil dieser Spektroskopie ist, dass damit lebendes Gewebe analysiert werden kann ohne dieses zu beschädigen – mit großen Zukunftsperspektiven in der Medizin.
Andere Firmen erzeugen Laser für industrielle Anwendungen, wie die Firma Lumics. Laserdioden, klein wie Stecknadelköpfe, machen aus Strom äußerst homogenes Licht. Laserdioden sind die effizienteste Lichtquelle überhaupt. Die Spezialität von Lumics sind Dioden mit besonders hoher Leistungsdichte, wie sie für Verstärker der Lichtimpulse, aber auch für die Materialbearbeitung nötig sind. Auch eine Tochter von Jenoptik, Jenoptik Diode Lab, hat sich wegen des konzentrierten Laser-Know-how in Adlershof angesiedelt.
In Adlershof ist ein Großteil des elektromagnetischen Spektrums in irgendeiner Form präsent: von den Langwellen über Infrarot, Ultraviolett bis hin zu Röntgenstrahlen. Für das Auge sichtbar ist in diesem Spektrum nur ein verschwindend kleiner Bruchteil.
Hubert Beyerle
Links zum Thema: