Antiferromagneten auf der Spur
Am Max-Born-Institut ist es erstmals gelungen, eine antiferromagnetische Probe an einer Laser-getriebenen Laborquelle zu untersuchen
Antiferromagneten besitzen zwar eine magnetische Ordnung, doch löscht sich ihre Magnetisierung nach außen genau aus, sodass sogar ihr Entdecker, der Nobelpreisträger Louis Néel, sich keine Anwendung für diese Materialklasse vorstellen konnte. Heute sind Antiferromagneten jedoch heiße Kandidaten für die schnellere und energie-effizientere Verarbeitung und Speicherung von Daten. Auf dem Weg dorthin hat unter anderem die magnetische Streuung im weichen Röntgenbereich – eine Kombination aus Spektroskopie und Streuexperiment – direkte Einblicke in die magnetische Ordnung von Antiferromagneten erlaubt und so einen wichtigen Wissensbeitrag geleistet. Entsprechende Experimente konnten bisher jedoch nur an wissenschaftlichen Großgeräten, wie Synchrotrons und Freien-Elektronen-Lasern, durchgeführt werden, welche ausreichend Licht im weichen Röntgenbereich liefern. Am Max-Born-Institut ist es nun erstmals gelungen, eine antiferromagnetische Probe mittels magnetischer Streuung an einer Laser-getriebenen Laborquelle zu untersuchen. Die Arbeit wurde in der Zeitschrift „Optica“ publiziert und ziert auch deren Titelseite.
Magnetische Materialien sind ein fester Bestandteil unseres Alltags, z.B. als Nadel in einem Kompass oder als Datenträger in einer Festplatte. Dabei denkt man meistens an Ferromagneten, bei denen alle magnetischen Momente in dieselbe Richtung zeigen. Ein typisches Beispiel ist der Magnet an unserem Kühlschrank zu Hause. Die meisten magnetischen Materialien bilden jedoch eine ganz andere – nämlich antiferromagnetische – Ordnung aus, bei der sich die magnetischen Momente ganz periodisch z.B. entgegengesetzt ausrichten und so keine messbare Magnetisierung nach außen festzustellen ist. Dies ist auch der Grund, warum diese Materialklasse erst sehr spät in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts durch den französischen Nobelpreisträger Louis Néel entdeckt wurde. Lange galten Antiferromagneten seitdem als eher akademische Systeme der Grundlagenforschung ohne jegliches Anwendungspotenzial. Diese Ansicht hat sich aber besonders in den letzten Jahrzehnten durch die Entdeckung neuer Materialsysteme und Methoden zur Charakterisierung sowie der Kontrolle der magnetischen Ordnung drastisch geändert. Dabei punkten Antiferromagneten vor allem durch ihre deutlich höhere Geschwindigkeit, Stabilität und Energieeffizienz, z.B. bei der Datenverarbeitung und -speicherung gegenüber Ferromagneten.
Eine der wichtigsten Methoden zur Untersuchung von Antiferromagneten ist die resonante magnetische Streuung. Bei dieser Mischung aus Spektroskopie und Streuexperiment wird Licht mit einer ganz bestimmten Frequenz (analog zur Farbe im sichtbaren Bereich) benötigt, um den Magnetismus sichtbar zu machen. Dabei muss die der Frequenz entsprechenden Wellenlänge des Lichtes kleiner sein als die antiferromagnetische Periodizität in der zu untersuchenden Probe. Diese beiden Kriterien werden im sogenannten weichen Röntgenbereich für viele antiferromagnetische Systeme erfüllt, wodurch wiederum direkte Einblicke in die magnetische Ordnung auf Längenskalen von wenigen Nanometern gewonnen werden können. Leider sind die nötigen Lichtquellen mit entsprechender Helligkeit bisher nur an wissenschaftlichen Großgeräten wie Synchrotrons und Freien-Elektronen-Lasern vorhanden gewesen und haben so die breite Verfügbarkeit dieser leistungsfähigen Messmethode deutlich eingeschränkt.
Forschenden vom Max-Born-Institut, dem Forschungszentrum Jülich und dem Helmholtz-Zentrum Berlin ist es nun erstmals gelungen, ein solches Experiment im Labormaßstab durchzuführen. Dazu nutzten und optimierten sie eine etablierte Technik zur Erzeugung von weicher Röntgenstrahlung – eine Laser-getriebene Plasmaquelle. Der verwendete Scheiben-Laser wurde eigens für diese und ähnliche Anwendungen am Max-Born-Institut entwickelt. Dabei werden extrem energiereiche und sehr kurze (2 ps = 0,000 000 000 002 s) Lichtblitze aus dem Laser auf einen Metallzylinder aus Wolfram fokussiert. Im Lichtfokus herrschen dabei für die kurze Dauer der Laserpulse Bedingungen wie auf der Sonnenoberfläche und führen zur Erzeugung eines Plasmas. Diese auch als vierter Aggregatzustand bezeichnete Form der Materie strahlt selber – genau wie die Sonne – Licht über einen sehr breiten spektralen Bereich ab. Da das Plasma durch sehr kurze Laserpulse getrieben wird, sind auch die erzeugten Lichtblitze nur unwesentlich länger. Mithilfe einer speziellen Optik, einer Reflexions-Zonenplatte, ist es möglich, ausreichend weiche Röntgenstrahlung dieser Plasmaemission einzusammeln und für magnetische Streuexperimente nutzbar zu machen.
Zur Demonstration ihres neuen Konzeptes haben die Forscher:innen einen künstlichen Antiferromagneten untersucht. Dieser wurde durch abwechselndes Aufwachsen von mehreren jeweils nur etwa einen Nanometer dicken Schichten aus reinem Eisen und Chrom hergestellt. Dabei sind die Eisenlagen für sich reine Ferromagneten, die sich aber durch eine Kopplung über die Chromlagen hinweg zueinander exakt antiparallel ausrichten, s. Abb. 1. Neben einer strukturellen Periodizität durch die alternierenden Lagen kommt es so auch zu einer sogenannten antiferromagnetischen Überstruktur, die immer genau zwei Eisenlagen beinhaltet. Beide Periodizitäten können mittels der resonanten Streuung aufgelöst werden und erlauben so einen direkten Einblick in die strukturelle und antiferromagnetische Ordnung im Probensystem, s. Abb. 2.
Wie bereits erwähnt, bietet die Laser-getriebene Plasmaquelle nicht nur ausreichend weiche Röntgenstrahlung für magnetische Streuexperimente im Labor, gleichzeitig sind ihre Lichtblitze auch besonders kurz – nämlich nur wenige Pikosekunden. Dadurch können die oben beschriebenen Messungen auch in einem stroboskopischen Modus durchgeführt werden, um so z.B. lichtinduzierte Dynamiken auf Zeitskalen der Pulsdauer untersuchen zu können. Die entsprechenden zeitaufgelösten Messungen an dem künstlichen Antiferromagneten zeigen dabei eindrucksvoll die Vorteile dieser Forschungsarbeit gegenüber aktuellen und zukünftigen Synchrotron-Quellen auf, welche eine 10-mal schlechtere Zeitauflösung bieten.
Publikation:
Laser-driven resonant magnetic soft-x-ray scattering for probing ultrafast antiferromagnetic and structural dynamics
Daniel Schick, Martin Borchert, Julia Braenzel, Holger Stiel, Johannes Tümmler, Daniel E. Bürgler, Alexander Firsov, Clemens von Korff Schmising, Bastian Pfau, and Stefan Eisebitt
Optica 8, 1237-1242 (2021), doi: 10.1364/OPTICA.435522
Kontakt:
Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie (MBI)
Dr. Daniel Schick
Tel. 030 6392-1311
E-Mail daniel.schick(at)mbi-berlin.de
Prof. Dr. Stefan Eisebitt
Tel. 030 6392-1300
E-Mail stefan.eisebitt(at)mbi-berlin.de
Pressemitteilung MBI vom 21.09.2021