Austausch im Gemüsebeet
Städte nachhaltiger ernähren und zugleich den sozialen Zusammenhalt stärken – das plant die PlattenBaum UG
Es geht um frisches Gemüse aus Plattenbaufassaden, Gewächshäuser und Gemeinschaftsgärten als Mietertreff und um die universell verbindende Kraft des Gärtnerns. Maayan Strauss und Kerem Halbrecht sind Grenzgänger. Beide verbinden in ihren Projekten Architektur, Stadtplanung, Design und Kunst. Beide blicken auf Projekte in aller Welt zurück. Und auch ihre neu gegründete PlattenBaum UG passt in keine Schublade: Sie ist zugleich ein soziales Projekt und ein gewinnorientiertes Start-up.
Gründe dafür liefert ihre gemeinsame Geschichte. Nachdem sie sich Anfang der 2000er Jahre als Architekturstudent/-innen in Jerusalem kennengelernt hatten, verloren sie sich einige Jahre aus den Augen – und zogen unabhängig voneinander nach Berlin. „Ich bin vor drei Jahren in eine Plattenbausiedlung in Friedrichshain gezogen“, erzählt Strauss. In ihrer Wohnung ohne Balkon vermisste sie das Leben im Freien und mehr als einmal wunderte sich darüber, wie zurückgezogen die Menschen hier leben. Sie erinnerte sich an ihren alten Freund Kerem, der nahe Tel Aviv in einer sozial schwierigen Siedlung ein Gemeinschaftsgarten-Projekt gestartet hatte. Sie nahm Kontakt zu ihm auf und erfuhr, dass er zuletzt in Jena und Stuttgart ähnliche Projekte mitinitiiert hatte. „Gärtnern bringt Menschen zusammen. Beim Pflegen der Beete, beim Säen und Ernten kommen sie miteinander ins Gespräch und überwinden bestehende Vorbehalte“, berichtet er.
Dieser soziale Aspekt ist ihnen auch bei PlattenBaum wichtig. Doch ihre Gärten sollen nicht nur soziale Früchte tragen, sondern ernsthaft zur Ernährung der Stadtbevölkerung beitragen. Dafür entwickeln sie ein vertikales Farm-Modul für Plattenbaufassaden. Obendrein planen sie gemeinschaftliche, für die Mieter/-innen offene Gartenflächen und Gewächshäuser sowie kleinere Gewächshäuser zur Miete, damit Anwohner/-innen ihr eigenes Gemüse anbauen können. Freiflächen dafür gibt es in den oft großzügig angelegten Plattenbausiedlungen genug. „Ein weiterer Vorteil ist es, dass Plattenbauten weitgehend standardisiert sind. Dadurch lässt sich unser Konzept samt Vertikalfarm-Modul schnell und günstig auf weitere Siedlungen in Berlin und in anderen Städten ausrollen“, erklärt Strauss.
Nachdem sie ihre Ideen in der Gründerwerkstatt Adlershof konkretisiert haben, läuft aktuell ein erstes Pilotprojekt mit einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft im Zentrum Berlins. PlattenBaum möchte darin den Nachweis führen, dass ihre Gemeinschaftsgärten die Nachbarschaften stärken und genügend Anwohner/-innen Lust auf den Anbau eigener Lebensmittel haben. „Wir wollen alle drei Säulen der Nachhaltigkeit stärken“, fasst Halbrecht ihr Motiv zusammen: Gemeinschaftliches Gärtnern wider die soziale Kälte. Ökologischer, lokaler Anbau wider die transportintensive industrielle Lebensmittelversorgung, an deren Stelle die wirtschaftliche Perspektive einer urbanen Landwirtschaft der kurzen Wege rückt. Professioneller Gemüseanbau in vertikalen Farmen und gemeinschaftliches Gärtnern sollen dabei ineinandergreifen.
Und PlattenBaum selbst? „Wir möchten in Zukunft als Generalunternehmen schlüsselfertige Infrastruktur samt Betrieb und Projektbetreuung anbieten“, erklärt Strauss. Ihr Mitgründer ergänzt: „Zu gegebener Zeit werden wir uns um Wachstumskapital, um weitere Mitstreiter/-innen und die komplexen Bauvorschriften in Deutschland kümmern müssen.“ Doch jetzt gehe es erst einmal darum, den Proof-of-Concept zu erbringen. Der Sommer steht vor der Tür. Das Leben im Freien soll beginnen.
Von Peter Trechow für Potenzial – Das WISTA-Magazin