Basteln für Erwachsene
Bei Efendi Audio Solutions wird der Ton gemacht
Bruce Willis und Nicolas Cage unterhalten sich über Joggingschuhe? Auf einem Flur in Johannisthal? Ethem Bozkurt glaubt seinen Ohren nicht, als er sich einen Kaffee aus der Küche auf jenem Johannisthaler Flur holt. Darf er auch nicht. Denn die Stimmen gehören Manfred Lehmann und Martin Kessler – den deutschen Stimmen der Schauspieler – die zu einer Synchronaufnahme im Gebäude sind. Derartige Hör-Erlebnisse hat Bozkurt oft, denn in seinem Tonstudio Efendi Audio Solutions gibt sich die Hollywoodprominenz – zumindest stimmlich – die Klinke in die Hand. Auch Samuel L. Jackson – Engelbert von Nordhausen – war schon da.
Ethem Bozkurts Studio ist nicht sehr groß. Drei Monitore stehen vor einem speziell angefertigten Schreibtisch, in und um den jede Menge Technik eingebaut ist. Player, Verstärker, Rechner, Lautsprecherboxen. Von diesem Pult aus blickt man durch eine Scheibe in die Sprecherkabine. Die hat einen „schwimmenden Boden“, reflektionsarme Wände und Absorber. In der Mitte stehen ein Pult, ein Mikrofon, ein Hocker, davor ein Bildschirm und die Aufnahmelampe. „Mehr braucht es nicht“, sagt Bozkurt.
Maximal vier Leute arbeiten hier: der Regisseur, der Cutter, der Toningenieur und der Sprecher. Sie achten bei den Aufnahmen darauf, dass die Dialoge „mundgerecht“ sind, „die Labiale passen“, also konform mit den Lippenbewegungen gesprochen wird, „ob es soundtechnisch sauber klingt“. „Das ist Basteln für Erwachsene“, sagt Bozkurt und fügt hinzu: „Sprechen ist eine größere Herausforderung als vor einer Kamera zu spielen.“
Johannisthal, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Technologiepark, hat eine sehr lange Filmtradition. Der ehemalige Flugplatz brauchte eine neue Beschäftigung nach dem Ersten Weltkrieg und dem Versailler Vertrag. Flugzeughangars wurden zu Filmateliers. Deutschlands erste Regisseurriege dreht „Nosferatu“, „Dr. Mabuse“ und „Mutter Krausens Fahrt ins Glück“. In den Filmateliers produzierte Wolfgang Staudte den ersten gesamtdeutschen Nachkriegsfilm „Die Mörder sind unter uns“ und die „Gruppe Johannisthal“ der DEFA „Jakob der Lügner“ – einzige DDR-Produktion, die als bester fremdsprachiger Film je für den Oscar nominiert war. Ab 1952 entstand hier das DEFA-Studio für Synchronisation, in dem bis 1989 über 7.000 Spielfilme und Serienfolgen synchronisiert wurden. Nach mehr als 85 Jahren ist auf dem Gelände im Jahr 2004 erst einmal Schluss. Als Teil der Kirch-Gruppe stellt die Johannisthal Synchron den Betrieb ein.
Zu dieser Zeit hat Ethem Bozkurt gerade sein Diplom als Toningenieur erhalten. Bozkurt kommt aus der Musikecke. „Kanacks with Brain“ heißt seine Band, die er mit Freunden 1992 gründet. 15 Jahre ist er da, will polarisieren, macht Rap-Musik, die aber zumindest in Deutschland kein Label produzieren will. Also putzt die Band Klinken in Istanbul. Eine Plattenfirma wagt das Experiment und es folgen Radio- und Fernsehauftritte. „Kohle haben wir mit unserer Musik trotzdem nicht gemacht“, resümiert Bozkurt. Was bleibt, sind ein Eintrag im Musiklexikon in der Rubrik Protestkultur, der CD-Sampler „Von Oi bis Turku“ für den Schulgebrauch und die Liebe zum Ton und zur Tontechnik.
Als die Band auseinandergeht, beginnt Ethem Bozkurt sein Studium zum Toningenieur. Eine seiner ersten Stationen im „Ton-Business“ ist der Berliner Radiosender Metropol-FM mit vielen türkischen Hörern und Werbekunden. Bozkurt produziert für sie Audiospots in türkischer Sprache. Ein voller Erfolg, denn Bozkurt produziert in Istanbul. Die Auswahl türkischer Sprecher in Berlin ist begrenzt. Schnell hören sich Werbespots im Radio sehr ähnlich an. Bozkurt schickt seine Sprecher – meist bekannte türkische Schauspieler – in Istanbul ins Studio.
Für den Sender arbeitet Bozkurt auch heute noch regelmäßig. Aber das ist nur ein kleiner Teil seiner Arbeit. Inzwischen gehören Hörbuchproduktionen dazu, wie das mit dem Hörspielpreis „Ohrkanus“ ausgezeichnete Hörbuch „Moldin, der Zauberlehrling“, Musikproduktionen, Tonbearbeitung für Zeichentrickserien wie „Batman“, Sounddesign für Filme oder Synchronisationen: wie die der Scorsese-Dokumentation über George Harrison oder die Bagdad-Bahn und den Mauerfall. Die verschiedensten Themen kommen hier auf den (Ton-)Tisch. „Synchron bildet“, sagt Bozkurt deshalb mit einem Lächeln.
Von Rico Bigelmann für Adlershof Journal