Batterie oder Brennstoffzelle
Vor- und Nachteile hat das Reiner Lemoine Institut zusammengestellt
Der Verkehr ist der einzige Bereich in Deutschland, in dem die Treibhausgasemissionen in den letzten Jahren gestiegen sind. Um hier gegenzusteuern, ist der Umstieg auf Elektrofahrzeuge eine wichtige Maßnahme. Dabei gibt es zwei mögliche Konzepte: Batterie oder Brennstoffzelle mit Wasserstofftank. Die jeweiligen Vor- und Nachteile hat das Reiner Lemoine Institut zusammengetragen. Hier untersuchen Norman Pieniak und seine Kollegen aktuell auch, wie Berlins Busse weiter elektrifiziert werden können.
Wer vom Bahnhof Südkreuz in Richtung Zoologischer Garten mit dem Bus unterwegs ist, kennt sie womöglich bereits: die Elektrobusse der BVG. In den vergangenen Jahren wurden auf der Linie 204 vier Exemplare getestet. Nun wird untersucht, unter welchen Bedingungen eine Elektrifizierung hoch frequentierter MetroBus-Linien gelingen kann. „Besonders wichtig ist dabei ein möglichst flexibles und schnelles Aufladen der Batterien“, erläutert Norman Pieniak. Der Maschinenbauingenieur ist Teamleiter „Kommunale Mobilität“ am Reiner Lemoine Institut (RLI), das das Projekt gemeinsam mit der Technischen Universität Berlin und den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) bearbeitet.
Das Reiner Lemoine Institut wurde 2010 vom inzwischen verstorbenen Namensgeber unter dem Motto gegründet, eine lebenswertere Zukunft für alle Menschen zu schaffen. „Es hat sich zum Ziel gesetzt, die Energiewende zu begleiten“, sagt Pieniak. Das Institut hat keine eigenen Labore. Um herauszufinden, welche Strategien und Technologien ökonomisch und ökologisch sinnvoll sind, erstellen die Mitarbeiter Studien auf Basis von Berechnungen und Gesprächen mit Experten und Leuten vor Ort. Für technische Untersuchungen werden Partner aus Hochschule oder Industrie herangezogen.
Für das Berliner Bus-Projekt werden 15 Gelenkbusse mit Elektromotor und Batterie ausgerüstet. Und dann wird erprobt, wie das Energieversorgungskonzept gestaltet werden muss, damit die Busse auch unter den rauen Alltagsbedingungen wie Staus, Verspätungen und möglichen Streckensperrungen rechtzeitig und ausreichend mit Strom versorgt werden können. Die Ladestationen sollen besonderen Anforderungen gewachsen sein, denn besonders schnelles Laden erfordert hohe Leistungen von mehr als 300 Kilowatt, die das Stromnetz belasten. „Es muss einerseits geklärt werden, wo Ladestationen für die Busse sinnvoll sind und wo sie überhaupt errichtet werden können. Und andererseits, ob sie beispielsweise durch Erneuerbare-Energie-Anlagen vor Ort gespeist werden und in intelligente Netze mit stationären Speichern integriert werden können, die je nach Energiebedarf Verbrauch und Erzeugung regulieren“, sagt Pieniak. Dafür braucht es eine Verständigung mit dem Stromversorger und der öffentlichen Hand.
Die Fragen nach der Reichweite und der Ladeleistung sind – neben den Kosten für Anschaffung und Betrieb – wesentliche Aspekte bei der Beurteilung batteriebetriebener Elektrofahrzeuge. Laut Studie des RLI würden für die meisten Nutzer in bis zu 98 Prozent der Fälle eine Reichweite von 100 Kilometern und das vorhandene, noch sehr lückenhafte Netz an Ladestationen ausreichen, sofern die passende Infrastruktur zu Hause oder am Arbeitsplatz sowie entlang gewerblicher Routen gegeben ist. Die bereits möglichen Reichweiten von 350 bis 400 Kilometern werden als langstreckentauglich empfunden. Bei Brennstoffzellenfahrzeugen spielen diese beiden Aspekte keine Rolle, denn sie verhalten sich diesbezüglich wie herkömmliche Autos. Allerdings sind Tankstellen für Wasserstoff bei weitem noch nicht so verbreitet wie für Benzin, Diesel & Co.
Auch auf das Stromnetz haben Brennstoffzellenfahrzeuge keine negativen Rückwirkungen. Zwar benötigt die Herstellung des Wasserstoffs als Kraftstoff mittels Elektrolyse vergleichsweise viel Energie, Standort und Leistung sind jedoch relativ flexibel. Und die Herstellung von Wasserstoff aus elektrischer Energie wird als wichtige Option zur Speicherung regenerativer Energien angesehen. In dieser Hinsicht könnte die Brennstoffzellentechnologie für den Wirtschaftsstandort Deutschland eine wichtige Rolle spielen.
Wie eine hohe Anzahl an Batteriefahrzeugen das Netz belastet oder – im Falle einer guten Steuerung – sogar als Speicher für überschüssige regenerative Energien eingesetzt werden kann, darüber gibt es laut RLI unterschiedliche Meinungen. In jedem Fall mit kritischem Blick ist die Frage nach den Ressourcen und Reserven für einige chemische Elemente wie etwa Lithium zu betrachten, die für die Produktion von Batterien dringend benötigt werden. Hier könnte es im Laufe der kommenden Jahrzehnte zu Engpässen kommen.
In der Zusammenschau dieser Aspekte zeigt sich, dass im Zuge der Verkehrswende, die auch von Umweltministerin Svenja Schulze erst kürzlich wieder dringend eingefordert wurde, vielfältige Argumente und komplexe Zusammenhänge berücksichtigt werden müssen. Die Frage nach Batterie oder Brennstoffzelle lässt sich so einfach nicht entscheiden, resümiert Norman Pieniak: „Beide haben ihre Berechtigung und sollten gemäß ihrer Stärken eingesetzt werden.“
Von Dr. Uta Deffke für Adlershof Journal