Bewehrt erfolgreich
Netzwerken leicht gemacht
Die Erfolgsgeschichte Adlershof ist auch ein Erfolg der meist ehrenamtlichen Netzwerker. So wie Stahlgeflechte im Beton die moderne Architektur des Wissenschafts- und Technologiepark ermöglichen, sorgen menschliche Netzwerke für Zusammenhalt zwischen den Instituten und Technologieunternehmen vor Ort.
Wo treffen sich die Interessen der Technologieunternehmen und Forschungsinstitute hier am Standort? Wie ist der Knowhow-Transfer von Wissenschaft zu Wirtschaft zu beschleunigen? – Stephan Mory treiben diese Fragen seit zwei Jahrzehnten um. Er selbst kann und will keine Antworten darauf finden. Vielmehr gibt er jenen, die Teil der Antworten sind, ein Forum.
Mory ist in seiner Freizeit Geschäftsführer und Schatzmeister des Forums Adlershof. „Wir sind 80 Mitglieder“, berichtet er, „davon etwa 50 aus Unternehmen und 30 aus Instituten“. Seit 1998 verfolgt das Forum ein gemeinsames Ziel: den Standort durch Vernetzung voranbringen. Regelmäßig treffen sich die Mitglieder zu Lunches, hören Kurzvorstellungen neuer Firmen im Technologiepark, Fachvorträge von Experten aus Politik, Verbänden und Wissenschaft. Und sie kommen untereinander ins Gespräch über ihre aktuellen Arbeitsschwerpunkte, neue Geräte, talentierte Nachwuchsforscher. Immer wieder führen Mitglieder den unverbindlichen Plausch in professionellem Rahmen weiter. „Wer einmal zusammen gegessen hat, tut sich leichter damit, den Kontakt bei passender Gelegenheit aufzufrischen“, so Mory. Sei es, dass Hochschulforscher Spezialgeräte benachbarter Unternehmen nutzen, Unternehmer beim Institutsleiter nebenan nach Praktikanten oder Diplomanden fragen oder es zu gemeinsamen Produktentwicklungen kommt.
Adlershof, das sind inzwischen 900 Unternehmen, 17 wissenschaftliche Einrichtungen, 15.000 Beschäftigte und 8.000 Studierende. „Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute ist so nah?“, fragt Ulrich Pröve – und erzählt eine Anekdote. Er brauchte kurzfristig spezielle Folien. Im Internet fand er einen Anbieter, doch der konnte so schnell nicht liefern. Zufällig ging er nach Feierabend durch die Dörpfeldstraße auf der anderen Seite des Adlergestells – und fand die gesuchte Folie bei einem Schreibwarenhändler. Pröve fiel es wie Schuppen von den Augen. Als Konsequenz initiierte er das Dienstleister-Netzwerk Adlershof. Jeden 1. und 3. Freitag im Monat frühstücken sie morgens um acht in der WISTA-Corner des Adlershofer Betriebsrestaurants, tauschen sich aus und legen so die Basis für lokale Dienstleistungsketten. „Es gibt Rechtsanwälte, Steuerberater, Architekten, Vermesser.“ Seine Aufzählung geht noch eine ganze Weile weiter. Das Netzwerk bringt sie zusammen. Und es spricht bewusst alle Adlershofer an. Es geht auch darum, den Technologiepark und das alte Adlershof zusammenwachsen zu lassen.
Verbindungen schaffen, wo das Leben in parallelen Bahnen verläuft. Für Christine Wedler ist das so wichtig, dass sie regelmäßig knappe Freizeit dafür opfert. Die Geschäftsführerin der ASCA GmbH Angewandte Synthesechemie Adlershof leitet ehrenamtlich den Technologiekreis Adlershof (TKA). Der Verein ist Interessenvertretung von aktuell 77 Technologieunternehmen und hat sich deren Vernetzung zur Aufgabe gemacht. Ob beim legeren Grillabend oder bei der offiziellen Mitgliederversammlung, bei den drei bis vier Vortragsveranstaltungen im Jahr oder bei gegenseitigen Betriebsbesichtigungen gibt es Anknüpfungspunkte über Branchengrenzen hinweg. Und nicht zuletzt einigen sich die Unternehmer auf gemeinsame Standpunkte, die Wedler in Gremien wie dem Wista-Beirat vertritt.
„Wir haben als aktive Unternehmer alle wenig Zeit“, sagt sie. Es gehe pragmatisch zu. Wer kann und möchte, nimmt Einladungen wahr; wenn nicht, dann nicht. Doch meistens ist mindestens die Hälfte aller Mitglieder da, wenn der Verein ruft. „Man schätzt sich und freut sich, einander zu treffen“, so die TKA-Vorsitzende. Der Austausch laufe in Adlershof besser als in anderen Technologieparks. Teilweise würden sich die Verantwortlichen in Instituten und Firmen auch schon seit Jahrzehnten kennen, sagt sie. Doch ihr TKA ist keine geschlossene Gesellschaft. „Neue Mitglieder sind uns herzlich willkommen“, so Wedler. Der Standort lebe schließlich von den Verbindungen der Menschen, die hier ein und aus gehen.
Ursula Westphal teilt diese Überzeugung. Die Geschäftsführerin der Initiativgemeinschaft außeruniversitärer Forschungseinrichtungen in Adlershof (IGAFA) knüpft quasi hauptberuflich Verbindungen. Die IGAFA ist ein Netzwerk erster Stunde: 1992 taten sich die Forschungsinstitute zusammen, um ihre Interessen mit einer Stimme zu vertreten und Synergien am Standort zu heben. „Die IGAFA hat in der schwierigen Aufbauphase Adlershofs eine zentrale Rolle gespielt. Damals glaubten nur ganz wenige an ein Gelingen dieses großen Projekts. Das gemeinsame Planen und Handeln der außeruniversitären Forschungseinrichtungen war ein entscheidender Stabilisierungsfaktor – und ist über die Jahre ein wichtiger Entwicklungsmotor geblieben.“, sagt Prof. Dr. Ingolf V. Hertel, Ehrenvorsitzender der IGAFA.
Heute betreut die IGAFA Gästehäuser für Gastwissenschaftler aus aller Welt und organisiert für die Bibliotheken der Institute Datenbanken, Zeitschriftenkataloge oder Weiterbildungen. Und außerdem, so scheint es Hertel, „wird die IGAFA jetzt vielleicht mehr denn je gebraucht – in ihrer Funktion als Beraterin einer Landespolitik, die in Forschung und Wissenschaft nur allzu oft klare Konturen und überzeugende Strategien vermissen lässt.“
Dass das Netzwerk der Forschungseinrichtungen in Zukunft noch wichtiger wird, weiß auch Anke Kaysser-Pyzalla, Wissenschaftliche Geschäftsführerin des Helmholtz-Zentrums Berlin. Die Professorin, die im Vorstand der IGAFA tätig ist, betont, dass „Kooperationen, gerade auch mit den durch die Exzellenzinitiative gestärkten Universitäten, einen immer höheren Stellenwert einnehmen.“
Neben den zentralen Infrastrukturaufgaben hauchen Westphal und ihr Team Netzwerken Leben ein. Seit zehn Jahren organisieren sie monatliche Academic Lunches, an denen administrative und wissenschaftliche Führungskräfte der Institute mit Technologieunternehmern teilnehmen. Analog dazu dienen Ladies Lunches dem Austausch von Frauen aus Forschung und Industrie, die auch in Adlershof noch zu wenige Führungspositionen besetzen. Daneben sorgt die IGAFA mit dem Dissertationspreis Adlershof, wissenschaftlichen Kolloquien oder regelmäßigen Teilnahmen an der „Langen Nacht der Wissenschaften“ für Zusammenhalt und Austausch in der Wissenschaftsstadt. Natürlich kooperiert sie dabei eng mit den Kollegen von TKA oder Forum Adlershof. Ihre Netzwerke tragen den Erfolg des Standorts von innen heraus – ganz so wie die verborgenen Stahlgeflechte im Beton jener modernen Architektur, die ihrer Forschungs- und Entwicklungsarbeit ein weithin beachtetes Zuhause gibt.
Von Peter Trechow für Adlershof Journal
www.adlershof.de/forum-adlershof-ev/
www.dienstleister-in-adlershof.de
www.igafa.de
www.tk-adlershof.de