Blitzlichtgewitter im Extruder
Farbechte Prozessüberwachung
Ein britischer Norweger und ein türkischer Pfälzer sind die Köpfe der ColVisTec AG. Sie haben ihr Startup in Adlershof gegründet, um hier ihre Technologie zur spektralphotometrischen Prozessüberwachung zu optimieren. Optische Messsonden messen die Homogenität fast aller flüssigen, geschmolzenen und pulverigen Medien bis 400 °C. Auch die fortwährende Kontrolle chemischer Reaktionen ist möglich.
„We want to do the German stuff“
Jan Johnsen hatte freie Wahl. Der weitgereiste Norweger suchte einen Standort in Europa, um ein optisches Messverfahren zu vermarkten und weiterzuentwickeln, dessen Rechte er von dem US-Unternehmen Equitech Int‘l Corp. erworben hatte. Seine Wahl fiel auf Adlershof. „We want to do the German stuff“, sagt er. Zu 80 Prozent hätten die Amerikaner das Verfahren ausgereizt. Er will 100 Prozent – und ist sich bewusst, dass nun der schwierigste Teil der Entwicklung beginnt. Dafür hat der Gründer ein Team aus fünf hoch spezialisierten Ingenieuren und Physikern um sich geschart. Auch das Umfeld stimmt, denn im Technologiepark finden sich Zulieferer und Fachkräfte für seine ColVisTec AG gleich um die Ecke. „Wir suchen seit vorgestern per Aushang studentische Mitarbeiter. Heute haben wir die geeigneten Bewerber“, berichtet Fuat Eker, Mitbegründer und zuständig für Sales & Marketing.
ColVisTec entwickelt optische Messsonden, die Prozesse direkt in Extrudern oder Reaktoren überwachen. Dafür wird der Messkopf mit einer etwa erbsengroßen Saphirlinse in vorhandene Normgewinde eingeschraubt. Durch die robuste Linse senden sechs ringförmig angeordnete Glasfaserleiter Xenon-Blitze in flüssige oder pulverförmige Medien. Eine sechste zentrische Glasfaser leitet das reflektierte Licht an ein ebenfalls von ColVisTec entwickeltes Spektralphotometer. Eine eigene Software analysiert schließlich die Farbwerte.
On- und inline Überwachung
„Wir können Prozesse nicht nur online, sondern inline überwachen“, erklärt Eker. Und das in verschiedensten Branchen. Mal geht es um Farbtreue von Lacken in der Autoindustrie, mal um homogene Wirkstoffverteilung in Arzneien oder um gleichbleibende Qualität von Nudelteig oder geschmolzenem Kunststoff in Extrudern. Neben exakten Farbwerten lassen sich aus den Spektren des reflektierten Lichts die Homogenität und damit die Prozessstabilität ablesen.
Die ColVisTec-Gründer sind überzeugt, dass ihr Messverfahren auch fortlaufende chemische Reaktionen ermöglichen wird. „Noch laufen Reaktionen meist zeitlich begrenzt. Erst wenn das Ergebnis im Labor überprüft wurde, wird der Reaktorinhalt weiter verarbeitet“, erklärt Eker. Erste Versuche mit einem Hersteller von Farben und Lacken zeigen, dass sich Status und Erfolg chemischer Reaktionen auch im Blitzlichtgewitter der Spektralphotometrie überwachen lassen – ohne sie zu stoppen. „Das funktioniert auch in durchsichtigen Medien, wo wir die Transmission messen und dann das Spektrum analysieren“, erläutert Johnsen.
Ihre neue Technologie wollen Jan Johnsen und Fuat Eker in West- und Osteuropa sowie im mittleren Osten vermarkten. „In zehn Jahren werden wir europaweit gut 100 Mitarbeiter beschäftigen“, ist Eker überzeugt. Zentrum der Expansion solle Adlershof bleiben: „Hier stimmen die Bedingungen, um unsere Technologie weiterzuentwickeln“, sagt er.
von Peter Trechow
Link: www.colvistec.de