Das Leid lindern
Ehemalige Flüchtlinge als Brückenbauer
Sie flohen einst selbst nach Deutschland, hatten es anfangs nicht leicht, haben aber viel erreicht. Heute engagieren sie sich selbst für Flüchtlinge. Zwei Beispiele, die Mut machen.
Die Landung in Deutschland war für Mohsen Makki hart: „Im Nachhinein betrachtet, fühlten sich für mich die ersten Monate so an, wie für einen Fisch im Ozean, der zwar schwimmt, aber das Wasser nicht fühlt“, erinnert sich der Perser. Er flüchtete mit 22 Jahren aus dem Iran. Heute ist er Lehrbeauftragter am Geographischen Institut der Humboldt-Universität zu Berlin, wo er auch promovierte. 1985 kam Makki in ein Westberliner Aufnahmelager. Anschließend wurde er in ein zur Sammelunterkunft umfunktioniertes ehemaliges Krankenhaus in einer bayerischen Kleinstadt geschickt, indem 600 Flüchtlinge lebten. Makki teilte sich mit 16 Leidensgenossen ein Zimmer, das ursprünglich als Operationssaal diente. „Das OP-Licht war gleichzeitig unsere Zimmerbeleuchtung – zwei Jahre lang.“
Draußen die dunklen Wälder des Bayerischen Waldes. „Der Frühnebel im Tal war für mich beängstigend“, erinnert sich Makki. Aber nicht nur das. Die Einheimischen waren den Neuankömmlingen nicht gerade wohlgesonnen: „An vielen Geschäften waren Zettel an den Schaufenstern angebracht, dass Asylanten unerwünscht sind. In einigen Kneipen sind wir nicht bedient worden oder wurden erst gar nicht reingelassen.“ Dennoch hat Makki sehr offenherzige Menschen kennengelernt: „Durch sie haben wir guten Kontakt zur deutschen Gesellschaft bekommen.“
Als die Sporthalle an der Merlitzstraße in Adlershof zu einer Flüchtlingsunterkunft für 350 Menschen umfunktioniert wurde, fragten ihn Studierende, ob er nicht als Übersetzer helfen könne. Zusammen mit Institutskollegen hat Makki einen Aufruf gestartet, wer noch unterstützen möchte. „Der Rücklauf war enorm“, sagt er, „mittlerweile bieten 80 Angehörige des Geographischen Instituts Begegnungskurse für gut 60 Geflüchtete aus der nahe gelegenen Sporthalle an.“ Hier werden unter anderem Deutschkurse gegeben, Wissen vermittelt über Berlin und wie Studieninteressierte möglichst rasch eine akademische Laufbahn starten können. Makki: „Die meisten Teilnehmer sind Männer. Wir bieten aber auch einen Kurs von Frauen für Frauen an, wobei es eine Kinderbetreuung während der Kurszeit gibt.“
Einen derartigen Service hat Andrés Jirón nicht erlebt, als er 1980 aus Nicaragua in die DDR kam. Der damals 19-Jährige ließ seine Familie zurück und strebte ein Studium an. Ohne deutsch sprechen zu können. „Die Integration in das Bildungssystem der DDR war gut, die in die Gesellschaft eher weniger“, erinnert sich der heutige Geschäftsführer der Adlershofer Firma für Umweltanalytik AZBA GmbH. „Ich weiß, was es bedeutet, Heimat und Familie zurückzulassen“, sagt er. Deshalb möchte er sich für Flüchtlinge engagieren und regt eine konzertierte Aktion Adlershofer Unternehmen und Institute an.
„Immens wichtig ist, Flüchtlingen gute Kontakte zur deutschen Gesellschaft zu ermöglichen, weg vom illegalen Leben und falschen Hoffnungen“, sagt Makki. Man müsse ihnen zeigen, dass man hier mit Würde und in Freiheit leben kann, selbst wenn man nur eine einfache Arbeit bekommt. „Aber auch die Anforderungen, die die deutsche Gesellschaft an Migranten stellt, müssen vermittelt werden“, sagt der Perser. „Dabei sehe ich mich als eine Art Brückenbauer zwischen Flüchtlingen und Einheimischen. Sie glauben mir, da ich ihren Weg gegangen bin und mich in sie einfühlen kann.“ Allein schon zwischen unterschiedlichen Mentalitäten zu vermitteln sei eine Aufgabe, meint Jirón. Es gehe nicht darum, die eine oder andere Kultur besser zu finden, sondern sich anzupassen und das Beste aus beiden Welten für sich mitzunehmen, sagt er. „Entscheidend ist, die Sprache zu lernen“, betont der AZBA-Chef.
Was empfinden Jirón und Makki mit Blick auf Flüchtlinge, die jetzt nach Deutschland kommen? „Ich denke immer daran, wie hart der Start in einem fremden Land ist“, sagt Jirón. Makki fühlt sich an seine Landung in Deutschland erinnert. Er sagt: „Wir können das Leid der Flüchtlinge nicht wegradieren, wir können es nur lindern.“
von Chris Löwer für Adlershof Journal
www.geographie.hu-berlin.de/de/Members/makki_mohsen
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