Der Geocacher
Sven Merk analysiert Miniexplosionen und forscht nach verborgenen Gegenständen
Verheerend, so ein Einschlag. Bis zu 20.000 Grad Hitze. Explosionsartiges Verdampfen. Teilchen, die mit Wucht in die Umgebung geschleudert werden. Ionen, Atome, Wassertröpfchen verwirbeln in einer leuchtenden Plasmawolke. „Ein enorm dynamisches System“, sagt Sven Merk. „Mit einer Atomexplosion vergleichbar.“ Wenn auch in Dimensionen, die sich nach Bruchteilen von Sekunden und Millimetern bemessen.
Laserinduzierte Plasmaspektroskopie
Was passiert, wenn ein konzentrierter Laserstrahl auf eine Fläche trifft, ist die Frage, die den promovierten Chemiker beschäftigt. „Ich habe festgestellt, dass ich besonders gerne Daten auswerte“, sagt Merk. „Ich messe nicht so gerne, ich analysiere lieber die Ergebnisse.“ Das Licht aus der Plasmawolke gibt Auskunft über die Beschaffenheit des Stoffes, den der Laser getroffen hat. In nur 40 Millisekunden lassen sich mit dieser Methode unterschiedliche Materialien erkennen und sortieren.
Als Doktorand hat Merk ein tomographisches Verfahren entwickelt, um die Vorgänge in der Plasmawolke dreidimensional abbilden zu können. Seit 2012 ist er bei der Firma LTB Lasertechnik in Adlershof beschäftigt und hat hier einen Algorithmus zur Auswertung programmiert.
Vor einiger Zeit hat er einer internationalen Expertentagung in Peking über seine Arbeit berichtet. Und weil er schon mal da war, die Gelegenheit genutzt, um dem Sommerpalast der chinesischen Kaiser einen Besuch abzustatten. Er wusste: Auf dem Gelände war etwas versteckt. Er hat es gefunden.
Wer den 30-Jährigen so erzählen hört in seinem schmucklosen Büro mit vier Flachbildschirmen auf einem von Kabeln wie von einem Schlingpflanzengeflecht überwucherten Tisch, hat den Eindruck: Der Mann mag es durchaus spektakulär. Beruflich als Beobachter von Miniaturexplosionen. Privat als Jäger verborgener Gegenstände. Das eine nennt sich „laserinduzierte Plasmaspektroskopie“. Das andere „Geocaching“ – sprich: Dschio-Käsching.
Ein geheimes Netzwerk
Damit zählt Merk zu einer weltweiten digitalen Parallelgesellschaft. Menschen, die etwas verstecken und die GPS-Daten ins Netz stellen. Andere, die mit diesen Daten auf die Suche gehen: „Der Reiz bleibt, das Ding vor Ort zu finden.“ Wo ist der „Cache“ genau versteckt? Auf einem Baum, in einem Astloch, unter einer Treppe, einer Telefonzelle? „Es gibt Caches, die sind jahrelang nicht gefunden worden.“ Ein Cache ist ein wasserdichtes Behältnis, das Unterschiedliches bergen kann. In jedem Fall ein Heft, in dem sich der Finder einträgt. Dann versteckt er es wieder. Der Nächste soll ja auch noch etwas davon haben.
Geocaching gibt es, seit im Mai 2000 das GPS-System für zivile Zwecke freigegeben wurde. Ein gelegentlich anspruchsvolles Hobby: „Man muss tauchen, man muss klettern.“ Zwei Tage Trekking in den Alpen waren für Merk die bisher aufwendigste Suche. Auf seinem Bildschirm erscheint ein Straßenplan von Adlershof: Allein hier sind 13 Caches markiert. Ein geheimes Netzwerk. Von dem man nichts ahnt.
Von Winfried Dolderer für Adlershof Journal