Der Kristallingenieur
Biswajit Bhattacharya forscht in Adlershof an biegsamen Materialien
Medinipur, Nagpur, Kalkutta, Adlershof. Stationen eines Bildungs- und Berufsweges, auf dem Biswajit Bhattacharya im Sinne des Wortes weit gekommen ist. Seit gut drei Jahren liegt sein Arbeitsplatz in der Richard-Willstätter-Straße, wo die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) eine Zweigstelle unterhält. Hier forscht Bhattacharya in der Abteilung Materialchemie.
Woran genau? Nun, annäherungsweise ließe sich vielleicht sagen: Er treibt Kristallen die Härte und Sprödigkeit aus, damit sie „plastisch flexibel“ und so für die Herstellung biegsamer und formbarer Werkstoffe tauglich werden: „Ich verändere die Struktur der Kristalle, arrangiere Moleküle in einer jeweils bestimmten Weise. Ich bin Kristallingenieur.“
Arbeits- und Lebensmittelpunkt, für Bhattacharya ist Adlershof beides zugleich. Mit seiner Familie wohnt er auf 60 Quadratmetern im Internationalen Begegnungszentrum (IBZ). Ein Ort zum Wohlfühlen, wie er findet. Seine Frau Jhili ist studierte Historikerin. Tochter Aranyaa war fast drei, als sie mit ihren Eltern in Deutschland eintraf. Sie besucht die „Kita Am Studio“ direkt gegenüber: „Sie braucht nur die Straße zu überqueren. Wir können vom Fenster aus unserer Tochter beim Spielen zuschauen.“ Söhnchen Aritrik wurde vor einem Jahr in Deutschland geboren.
Stoffe reagieren miteinander, sie verändern Farbe und Aussehen, was sich sehen, riechen und tasten lässt. Diese Anschaulichkeit hat die Chemie für Bhattacharya schon während der Schulzeit im Provinzstädtchen Manikpara zum Faszinosum werden lassen. Geboren vor 35 Jahren im Nordosten Indiens, hat er als Heranwachsender erlebt, wie sich sein Land rasant modernisierte. Er hat die Chancen, die sich dadurch boten, mit beiden Händen ergriffen.
Den Bachelor erwarb er in der benachbarten Großstadt Medinipur. Zum Master- Studium zog es ihn 1.100 Kilometer weiter westlich in die Millionenmetropole Nagpur, Hauptstadt des Bundesstaates Maharashtra. Zur Promotion kehrte Bhattacharya ins heimatliche Westbengalen zurück, nach Kalkutta. Hier begann er seine berufliche Laufbahn an einem naturwissenschaftlichen Forschungsinstitut. Von hier aus bewarb er sich auch um das Adolf-Martens-Stipendium der BAM. Nach zwei Monaten hielt er die Zusage in den Händen. Für Bhattacharya, der Indien nie verlassen hatte, erfüllte sich ein lang gehegter Wunsch.
„Deutschland ist der beste Ort für Naturwissenschaften“, sagt er. So hatte er das schon von akademischen Lehrenden in Indien gehört, die ebenfalls eine Zeitlang hier gelebt hatten: „Ich habe immer davon geträumt, hierher zu kommen.“ Er schätzt die „wirklich angenehme Lebensqualität“, das ausgewogene Verhältnis zwischen Arbeit und Freizeit. Er schätzt in Adlershof auch das wissenschaftliche Umfeld, die Nähe zur Humboldt-Universität zu Berlin. Seit Juni bezieht er ein Anschluss-Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft, bis 2024 befristet. Er hätte nichts dagegen, auf Dauer zu bleiben.
Dr. Winfried Dolderer für Adlershof Journal
Bundesanstalt für Materialforschung- und prüfung (BAM), Materialchemie