Der Luftreiniger
Benjamin Herzog baut in Adlershof grüne Schadstofffilter
Ganz aus dem Sinn geht ihm der Stoff nie, der sein Geschäftsmodell trägt. In der Freizeit ist Benjamin Herzog öfters auf einem der Seen im Berliner Umland unterwegs, im Kanu, auf dem Surfbrett oder im Segelboot: „Ich versuche dann immer ein Reagenzgläschen dabei zu haben, wenn ich eine spannende Alge sehe, um sie einzufangen.“
Das Wasser-Grünzeug hat es dem 39-jährigen gebürtigen Magdeburger seit dem Biologiestudium an der Humboldt-Universität zu Berlin angetan. Algen wachsen fünf bis zehn Mal schneller als gewöhnliche Pflanzen. Sie eignen sich als nachhaltiger Rohstoff für die Erzeugung von Biogas, weil sie anders als etwa Mais nicht auf Äckern gedeihen, die dann für den Anbau von Nahrungsmitteln nicht verfügbar wären.
Und sie haben die für uns Menschen sympathische Eigenschaft, sich von Substanzen zu ernähren, die wir in unserer Atemluft als Schadstoffe empfinden: Kohlendioxid, Feinstaub, Stickoxide, flüchtige Chemikalien.
Genau diesen Algenappetit macht sich eine Vorrichtung zunutze, die die von Herzog und seinem Freund Johann Bauerfeind in Adlershof gegründete Firma „Solaga“ entwickelt hat und als derzeit einziges Unternehmen weltweit seit gut anderthalb Jahren in Serie fertigt. Das „Algenbild“ besteht aus einer quadratischen, 50 mal 50 Zentimeter messenden und mit Algen beschichteten Textilmatte, gerahmt und hinter Glas. An die Wand gehängt, ist es in der Lage, auf einer Fläche von bis zu 25 Quadratmetern zwischen 30 und 50 Prozent der schwebenden Schadstoffe aus der Raumluft zu saugen. Auf der Rückseite sorgt ein 300 Milliliter fassendes Wasserbehältnis für stete Befeuchtung. Das Wasser sollte alle zwei Wochen, die Algenmatte alle sechs bis zwölf Monate ausgetauscht werden.
Ein Algenbild verbraucht keinen Strom, spart Kohlendioxid, macht jeden mechanischen Luftreiniger überflüssig. Für Herzog ein nicht zu unterschätzender Vorzug, bedenke man, welcher Anteil am Energiebedarf einer Immobilie allein auf das Konto der Luftreinigung gehe. Bisher hat sein Unternehmen 90 Stück produziert „und auch verkauft. Wir haben kein großes Lager, weil die uns gleich aus der Hand gerissen werden.“ Mit mittlerweile sieben fest Beschäftigten und derzeit acht Praktikant/-innen ist Solaga seit 2017 auf 110 Quadratmetern im Zentrum für Photovoltaik und Erneuerbare Energien in der Johann-Hittorf-Straße ansässig. Dem Chef ist die Gegend schon länger vertraut: „Man kann sagen, ich bin seit 2003 in Adlershof.“
Damals begann Herzog sein Biologiestudium, sattelte zwischenzeitlich auf Jura um, arbeitete eine Weile in einer Anwaltskanzlei für Patentrecht, fand schließlich zur Biologie zurück. Mit der Alge hat er noch Großes vor. Lassen sich damit auch Gebäudefassaden verkleiden? Wie ist sie zur Biogaserzeugung einsetzbar? An beidem werde geforscht.
Sein privates Zuhause ist in Pankow, nach Adlershof fährt er mit der S-Bahn, nutzt auf Teilstrecken gelegentlich auch Inline-Skates. Er schwärmt vom Skaten am Teltowkanal: „Ich bin viel draußen in der Natur.“
Von Winfried Dolderer für Adlershof Journal