Der Rokokorocker
Fundus-Restaurator Jochen Mannhardt und seine Musikleidenschaft
Wenn im Adlershofer Fundus ein Stuhl mit gebrochenem Bein oder eine Kommode mit kaputten Beschlägen von einem Filmset zurückkommt, ist Jochen Mannhardt gefragt. Sein zweites Dasein lebt er an der Gitarre, am Schlagzeug, auf der Bühne und im Tonstudio.
Jochen Mannhardt besitzt nicht nur die sprichwörtlichen „goldenen Hände“, er weiß auch, wie ein altes Möbelstück – ob Original oder Kopie – stilgerecht ausgebessert wird. Der gelernte Restaurator und Tischler hat in dreißig Jahren ungezählte Schränke, Tische, Lampen, Sofas, Sessel im wahrsten Sinne des Wortes aufgemöbelt und für den Einsatz als Requisiten präpariert. Der Fundus in der Ernst-Augustin-Straße 7 ist eine bevorzugte Adresse für Regisseure, Produktionsleiter, Bühnen- und Kostümbildner, die für ihre Inszenierungen nach der passenden Ausstattung aus den verschiedensten Epochen suchen.
„Zu viel West-Musik“
Seine zweite Leidenschaft ist dem 55-Jährigen auf den ersten Blick anzusehen: Frisur und Outfit lassen sofort den Rocker Mannhardt erkennen. Bei ihm ist das nicht bloß Staffage, denn Jochen Mannhardt ist seit seiner Jugend der Musik verfallen. Neil Young war die erste Lichtgestalt für den musikalischen Anfänger, Deep Purple, Led Zeppelin, Uriah Heep gesellten sich hinzu. In den 1980er-Jahren gründete Jochen seine erste Band. Das Unternehmen scheiterte, weil ihm die damals in der DDR obligatorische staatliche Einstufung verwehrt wurde. „Zu viel Westmusik“, erinnert sich Mannhardt, dem seine Lehrerin einst bescheinigt hatte, er sei unmusikalisch. Das Gegenteil bewies er mit einem umjubelten Auftritt bei einem Schulfest; die Lehrerin entschuldigte sich.
Frontmann von XEXEX
Mannhardt ist inzwischen schon lange Frontmann seiner eigenen Band XEXEX, deren Repertoire rund siebzig Songs umfasst. „Die meisten sind Coverstücke, aber nie 1 : 1, immer auch mit individuellen Varianten.“ Eigene Titel werden gespielt, bei Auftritten mit der Band ebenso wie bei den Solokonzerten, die Mannhardt zuweilen gibt. Das Publikum ist begeistert, wenn Klassiker wie „Smoke on the Water“ oder Heavy-Metal-Hymnen erklingen. Auch Einflüsse aus der Klassik nimmt Mannhardt gern auf, einem seiner heutigen Vorbilder, dem schwedischen Gitarristen Yngwie Malmsteen, nacheifernd.
Obendrein ist Jochen Mannhardt seit Kurzem Musikproduzent. Sein Studio „Eagle Wing“ ist mit professioneller Tontechnik ausgerüstet und vielleicht das einzige seiner Art, das im Stil des Rokoko ausgestattet wurde. Farben, Möbel, Accessoires kommen in der Fasson dieser Kunstrichtung des 18. Jahrhunderts daher. Mannhardt sagt, dass die Musiker, die bei ihm Aufnahmen machen, genau dieses besondere Ambiente schätzen und sich darin wohlfühlen.
Natürlich befindet sich auch das Tonstudio in Adlershof, hinter einer blauen Tür im Gebäude R 2, in Sichtweite vom Fundus.
Rokoko und Rockmusik – scheinbar ein Widerspruch. Aber nicht bei Jochen Mannhardt.
Von Harry Mehner für Adlershof Journal