Der Ultrakurzzeitexperte
Mit Lichtblitzen dem Wassergedächtnis auf der Spur
Thomas Elsässer untersucht mithilfe ultrakurzer Lichtblitze eine eher lose chemische Bindungsart. Neben neuen Erkenntnissen über das Erinnerungsvermögen von Wasser brachte ihm das den höchstdotierten europäischen Forschungspreis ein.
Auch in scheinbar vertrauten Dingen Neues zu finden – nicht zuletzt das macht die Faszination der Naturwissenschaften aus. Wer hätte gedacht, dass es noch etwas über Wasser zu entdecken gibt? Thomas Elsässer, Direktor am Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitphysik in Adlershof, ist das im Jahr 2005 gelungen: In einem aufsehenerregenden Artikel für die Fachzeitschrift Nature schrieb er zusammen mit Forscherkollegen über die Wechselwirkungen zwischen Wassermolekülen. H2O, zwei Wasserstoffatome, ein Sauerstoffatom, die wohl bekannteste Formel der Welt. Was bis dahin nur vermutet wurde: Diese kleinen Moleküle bilden untereinander ein Netzwerk aus, dessen Struktur sich rasend schnell ändert.
Wasser hat ein schlechtes Gedächtnis
Nur eine „Pikosekunde“ (Millionstel einer millionstel Sekunde) hält die Verbindung zwischen zwei Wassermolekülen. In dieser kurzen Zeit durchquert Licht gerade mal ein dickeres Blatt Papier, während es in einer Sekunde bereits von hier bis zum Mond kommt. „Mit ultrakurzen Lichtpulsen konnten wir erstmals Aufnahmen des aktuellen Geschehens machen“, sagt Thomas Elsässer. Dazu regten die Wissenschaftler mithilfe eines Laserblitzes eine bestimmte Eigenschwingung in einem Wassermolekül an. Wie sich diese angeregte Schwingung mit der Zeit verändert, maßen sie mit einem weiteren Lichtstrahl. Das zufällig ausgewählte und in Schwingung versetzte Molekül diente nun quasi als Sonde: Wie wird es von den anderen Wassermolekülen im Netzwerk beeinflusst? Das verblüffende Ergebnis: Nicht nur die chemische Bindung zwischen den Wassermolekülen, die sogenannte Wasserstoffbrückenbindung, ist mit einer Pikosekunde extrem kurzlebig. Durch Kippen und Rotieren der Moleküle im Netzwerk wurde die in der Sonde angeregte Schwingung bereits innerhalb von 50 „Femtosekunden“ völlig verändert – das ist der 200ste Teil einer Pikosekunde.
„Wasser hat also ein extrem schlechtes Gedächtnis“, fasst es Elsässer zusammen – und verweist damit die Theorien von Esoterikern und Homöopathen ins Reich der Phantasie, wonach der Kontakt mit anderen Substanzen Wasser eine Struktur aufprägen würde. „Tatsächlich hat unsere Forschung aber viel mit dem menschlichen Organismus zu tun“, erzählt er und bringt selber einen mythisch klingenden Ausdruck ins Spiel: das biologische Wasser. Befindet sich Elsässers Untersuchungsgegenstand nämlich in der Nähe von Proteinen oder unserer Erbsubstanz, der DNA, kommen die H2O-Moleküle deutlich zur Ruhe, sind zwei- bis dreimal langsamer. Die Wechselwirkung mit den Biomolekülen wird dadurch erhöht, gleichzeitig kann das immer noch hochbewegliche Wassernetzwerk schnell Energie abführen – und so die empfindliche DNA schützen, wenn sie zum Beispiel von UV Strahlen getroffen wird.
2,49 Millionen Euro für fünf Jahre
Damit Elsässer die zugrunde liegenden molekularen Mechanismen genauer untersuchen kann, fördert ihn der Europäische Forschungsrat ERC seit dem Jahr 2010 mit einem „Advanced Grant“ in Höhe von 2,49 Millionen Euro für fünf Jahre. Dass auch die exzellente Forschungsinfrastruktur in Adlershof zum Erfolg beiträgt, zeigt der zweite Teil des ERC-Projektes, bei dem es um Wasserstoffbrückenbindungen in Kristallen geht. Hier kommt eine in Zusammenarbeit mit dem IFG – Institute for Scientific Instruments in Adlershof entwickelt Plasma-Röntgen-Quelle zum Einsatz. Sie nimmt ultrakurze Schnappschüsse von „ferroelektrischen“ Materialien auf, die als neue elektronische Bauelemente im Gespräch sind.
von Wolfgang Richter
Link: www.mbi-berlin.de