Der Zukunftsgestalter
Sven Bauer baut in Adlershof „Erlebnismodelle“
Zwei bequeme Polstersitze. Lenkrad, Frontscheibe, Brems- und Gaspedal. Was fehlt, sind Räder. Dieses Gefährt braucht keine. Es soll ja allenfalls über virtuelle Pisten düsen. Wichtiger sind der kleine rechteckige Bildschirm und der Elektromotor, beide hinter dem Lenkrad montiert.
„Das ganze Ding haben wir entworfen und gebaut“, sagt Sven Bauer. Wobei sich „Ding“ schon fast despektierlich anhört für das Gestell aus schwarzem lasergeschnittenen Metall mit eingelassenen Autoteilen, das in einem fensterlosen Laborraum im ersten Geschoss der Adlershofer „Amöbe“ steht, des Zentrums für Photonik und Optik. „Erlebnismodelle“ nennt Bauer die Erzeugnisse seiner Firma Mirai Media Lab, „technische Produkte, die es den Kunden ermöglichen, Visionen tatsächlich auszuprobieren“.
Interessenten finden sich vielfach in Designabteilungen großer Konzerne, denen Bauers interaktive Modelle dazu dienen, Gestaltungs- und Bedienkonzepte bereits in einer frühen Entwurfsphase zu testen. Auf den Bildschirm hinter dem Lenkrad des Simulators etwa lassen sich dann alle möglichen Entwürfe eines zukunftsweisenden Armaturenbretts aufspielen. „Wie bringen wir Visionen in Formen? Wie können Designer ihre Ideen auf Nutzbarkeit überprüfen?“ Für Bauer sind das die Fragen, auf die Mirai die Antworten geben soll.
Auch das ist wichtig: „Wenn eine Idee gelungen ist, sorgen wir für die adäquate Inszenierung.“ Der Gestaltungsauftrag, wie ihn Bauer auffasst, schließt die Präsentation auf Messen und Ausstellungen ein: „Gute Ideen gut verkaufen.“ Auch das Auto-„Erlebnismodell“, das er in seinen Firmenräumen verwahrt, ist ohne Räder weit herumgekommen. Es war bereits auf einer Verbraucher-Elektronik-Messe in Las Vegas zu sehen.
Gestaltung, Zukunftsprodukte, Visionen, für Bauer eine Faszination, die ihn lebenslang begleitet. Bereits als Schüler im heimischen Bodenheim bei Mainz wirkte der heute 45-Jährige an der Programmierung kommerzieller Computerspiele mit, lieferte Grafik und Musik. Um die Jahrtausendwende folgte eine Ausbildung zum Mediendesigner an der Fachhochschule in Mainz, abgeschlossen mit einer Diplomarbeit über „generative Gestaltungssysteme“ – ein Fach, das Bauer zwei Jahre lang als Dozent im benachbarten Wiesbaden unterrichtete. Seit 2006 lebt er in Berlin, wo er sechs Jahre später seine Firma gründete.
Mit ihr zog er 2017 nach Adlershof. Die räumlichen Bedingungen, Studios und Werkstätten auf einer Ebene, dazu die Nähe zur Humboldt-Universität zu Berlin machen für ihn den Reiz dieses Standorts aus. „Wir sind“, sagt er, „keine klassische Forschungseinrichtung, sondern sehr spielerisch im Umgang mit Technologie.“ Vor allem aber „offen, zu jeder Zeit einen neuen Input, eine neue Inspiration zu erhalten“. Das prägt die Unternehmenskultur: „Mirai“ ist das japanische Wort für „Zukunft“.
Abseits des Beruflichen freilich pflegt Bauer eine Neigung fürs Vergangene. Er sammelt und restauriert frühe Heimcomputer. Klassiker aus den Achtzigern und Neunzigern, der Prähistorie des digitalen Zeitalters.
Von Winfried Dolderer für Adlershof Journal