Deutschland sucht die Superlinse
Nanoexperte Alexey Kalachev will Rekorde brechen
Alexey Kalachev ist rastlos. Unermüdlich will er seine eigenen Rekorde brechen: als Wissenschaftler, Unternehmer, Extremfreizeitsportler. Sonst gäbe es keinen Fortschritt, so der Nanoexperte mit der ungebremsten Ideenvielfalt, der am liebsten Science-Fiction-Romane liest.
Kalachev ist Chemiker. Mit Leib und Seele. Chemie ist eine Magie, die ihn unentwegt antreibt. Jedes Experiment ist für ihn eine Frage an Gott. Ist die Antwort – also das Experimentergebnis – nicht eindeutig, muss er weiter experimentieren bis er die Wahrheit herausfindet. Dabei pendelt der gebürtige Russe ständig zwischen Forscherarbeit im Labor und seiner unternehmerischen Tätigkeit. Vier Firmen hat er gegründet, zwei in Deutschland, die anderen beiden in St. Petersburg. Seine Heimatfirma nennt er die Adlershofer PlasmaChem GmbH. Hier entwickelt Kalachev Nanomaterialien für die Medizin und die Industrie. Das sind z. B. mit künstlichen Nano-Diamanten beschichtete und dadurch besonders verträgliche Gefäßstützen. Genauso wie geschmeidige Motoröladditive, die Kraftstoffverbrauch, Reibung und Verschleiß reduzieren. Auch die Grenzen zwischen Medizin, Chemie und Physik sind für ihn fließend. So resultiert aus der engen Verzahnung mit den Physikern der Humboldt-Universität eine weitere Innovation: ein Prototyp zur superschnellen DNS-Sequenzierung, basierend auf Rastersonden-Nanoskopie und einem Genom-Chip. Wenn die in Brüssel bei Europäischen Union für das Projekt beantragten 14 Millionen Euro fließen, könnte in drei Jahren jeder Mensch anhand eines Blutstropfens eine komplette Genomanalyse durchführen lassen und eine CD-ROM mit seiner entschlüsselten DNS kaufen, versichert der 54-Jährige. Wesentlich weiter ist die neue Dauertragekontaktlinse, die seine 2005 gegründete Firma LensWista ab diesem Sommer in Serie produzieren wird. Die Silikongummilinse kann bis zu drei Monate ununterbrochen im Auge verbleiben, weil sie extrem sauerstoffdurchlässig ist und sozusagen wie eine Lunge atmet.
Die Jagd nach neuen Rekorden geht noch weiter, wenn nicht an Land, dann im Wasser. Zu Jugendzeiten trainierte Kalachev für Höchstleistungen im 400-Meter-Freistilschwimmen, heute jagt er in der Unterwasserwelt und geht als Extremtaucher bis in 80 Meter Wassertiefe nur mit Pressluft an seine Grenzen. Ohne Risiko findet er das Leben langweilig.
Die vielen Freunde und Kollegen sowie die guten Forschungsbedingungen hätten ihn nach Adlershof gebracht, aber ein klein wenig Heimweh schwingt trotzdem mit. Seine fünfjährige Tochter Polina erwägt er dieses Jahr in Moskau einzuschulen, weil er die russische Grundschulausbildung sehr schätzt. Die dann große geografische Entfernung zwischen seinem Arbeitsplatz in Berlin und dem Familienwohnsitz in Moskau findet der Wanderer zwischen den Welten unproblematisch.
Weitere Informationen: