Dezentralität und Regionalität
Ein Gespräch mit Axel Berg – Vorsitzender der deutschen Sektion der Europäischen Vereinigung für Erneuerbare Energien (Eurosolar)
Ist die Energiewende auf dem richtigen Weg?
Wir sind in einer Phase, in der die erneuerbaren Energien ernsthaft Stromversorgung in Deutschland übernehmen. Jetzt stehen wir am Scheideweg: Sollen wir unsere Leitungssysteme auf den Bedarf der erneuerbaren Energien ausrichten oder die konventionellen Kraftwerke z. B. einfach gegen große Windparks in der Nordsee austauschen – mit einem Hochspannungsleitungsausbau, der Hunderte von Bürgerinitiativen auf den Plan rufen wird? Unmut wird auch dadurch geschürt, dass so viele Industrieunternehmen von den massiven Kosten des Ausbaus befreit sind. Die Last wird überwiegend von den kleinen Stromverbrauchern getragen.
Wie sieht die Alternative aus?
Entscheidend an der Energiewende sind Dezentralität und Regionalität, die Stromerzeugung sollte möglichst nah am Verbrauch sein. Natürlich gibt es Probleme mit der Speicherung, aber die sind alle lösbar. Man kann „virtuelle Kraftwerke“ schaffen, aus Photovoltaik-, Windkraftanlagen und Biomassekraftwerken und damit die Stromproduktion gemessen an der Nachfrage regeln. Mit den regenerativen Überschüssen produziert man beispielsweise sogenanntes Windgas und speist es in unser Gasnetz ein.
Belastet die Energiewende die Wirtschaft zu sehr?
Das ist extrem kurzsichtig gedacht. Um Anlagen für erneuerbare Energien zu bauen, muss natürlich investiert werden. Aber auch die Preise für fossile Energien und für Uran werden vermutlich steigen. Allein der Großraum München gibt im Jahr um die drei Milliarden Euro für Energieeinkäufe aus, die fast alle ins Ausland fließen. Ich möchte, dass die Wertschöpfung hier zu Hause stattfindet, dann hätten wir ein kostenloses Konjunkturprogramm.
Wie stehen die Chancen für den Export deutscher Technologien?
Vor zehn Jahren waren wir noch die Pioniere. Heute haben auch die Chinesen hochtechnisierte Fabriken für Solarzellen. Das ist ein ganz natürlicher Vorgang. Unsere Rohstoffe sind die Fertigkeiten unserer Ingenieure und Handwerker und unsere gute Ausbildung. Wir müssen unseren Konkurrenten immer einen Schritt voraus sein, beispielsweise könnten wir hier die Technologie für Biokraftstoffe der zweiten Generation entwickeln.
Wie kommt die Energiewende wieder in Schwung?
Da ist die Politik entscheidend gefragt. Letztlich geht es um die richtigen Instrumente und Gesetze. Wenn das EEG geschrumpft wird, werden wir in wenigen Jahren vom Markt verdrängt sein. Wir müssen den bisherigen Weg fortführen, mehr für Forschung ausgeben und neue Marktanreizprogramme schaffen. Obwohl wir als Deutsche Mitverursacher des weltweiten Klimawandels sind, haben wir dann die Chance, von der Lösung der Probleme zu profitieren und Arbeitsplätze zu schaffen.
Das Gespräch führte Andreas Heins für Adlershof Special