Die Datenliebhaberin
Firmengründerin Christin Schäfer lebt in Adlershof ihren Traum
Es sind die vielen kleinen Dinge, aus denen große Wirkungen entstehen. Die unscheinbaren Details, die einzelnen Informationen. In der Masse lassen sie Strukturen erkennen, geben Muster preis, sogar Antworten auf intime Gewissensfragen. Etwa die Sorge eines skrupulösen Investors, sein Geld könnte in Projekte fließen, die seinen privaten Moralvorstellungen widersprechen.
Mit ihrer jungen Firma „acs plus – data with care“ hat Christin Schäfer für einen Finanzdienstleister ein Programm entwickelt, das auf genau diese Frage die Antwort verheißt. Welterkenntnis durch Datenanalyse ist die lebenslange Leidenschaft der an der TU Dortmund ausgebildeten Diplomstatistikerin. Ins digitale Zeitalter hineingeboren worden zu sein, empfindet sie als Privileg: „Ich habe das Glück, dass die Welt sich in die Richtung entwickelt, dass wir Menschen brauchen, die mit Daten umgehen können.“
In ihrer Kindheit in Kassel, um 1980 herum, war das Telefonbuch der einzige greifbare Massendatenbestand. Christin malte die Nummern mit Buntstiften aus. „Hässliche“ Ziffern, die 3 oder die 7, mit Rot. „Schöne“ wie die 8 mit den freundlichen Farben Grün oder Blau. Begeisterte sich an den Mustern, die so entstanden. Studierte die statistische Verteilung von Nachnamen. Erlebte als „großen Moment“ eine Hörfunkreportage über eine physikalische Anlage, die Neutrinos aufspüren sollte. Diese ließen sich nur durch die Analyse der Datenströme nachweisen, die von Sensoren aus der Anlage übermittelt wurden. „Die Entdeckung macht der Datenanalyst“ – das war das Aha-Erlebnis.
Es hat der enthusiastischen Wissenssucherin, Hobbyfotografin und Opernliebhaberin an solchen Erlebnissen nie gefehlt. Am Berliner Fraunhofer-Institut, wo sie von 2002 bis 2006 wirkte, damals schon in Adlershof, war sie an einem Projekt des Familienministeriums beteiligt. Unter welchen Bedingungen entscheiden sich junge Paare für Kinder, war die Frage. In den Datenmassen des sozioökonomischen Panels entdeckte Schäfer eine damals überraschende Korrelation: Gut war die Aussicht auf Nachwuchs dort, wo beide Partner sich die Hausarbeit teilten.
Die reine Wissenschaft stillte nicht den Wunsch nach Praxisbezug: „Ich bin glücklich, wenn jemand sagt: Cool, das kann ich gebrauchen.“ Schäfer begann eine zweite Karriere im Finanzsektor als Risikoanalytikerin für die Deutsche Bank in Frankfurt, später für ein Geldinstitut in Wien. Behielt als prägende Erinnerung, dass sie die Digitalisierung des Geldverkehrs aus nächster Nähe miterleben durfte.
Und doch: „Ich wollte zurück zu meinen Daten.“ Wieder selber programmieren. Auch zurück nach Berlin, der „grünsten“ Stadt auf ihrer „emotionalen Landkarte“. Als Gründerin einer Firma für datenanalytische Dienstleistungen in Adlershof begann Schäfer „Karriere Nummer drei“. Bezog im Februar einen Raum mit Fernblick im vierten Geschoss des Internationalen Gründerzentrums OWZ: „Ich gehe beschwingt in dieses Zimmer, voller Freude auf den Tag in meinem Büro.“
Von Winfried Dolderer für Adlershof Journal