Die digitale Stadt – die Zukunft der Zukunftsorte
Essay von Dr. Hans-Hermann Albers, Architekt, Stadtforscher und Unternehmensberater aus Berlin
Seit inzwischen zwei Jahrzehnten ist die Digitalisierung der Städte ein besonders prägendes Thema im internationalen Stadtentwicklungsdiskurs. Unter dem Begriff „Smart City“ geht es dabei einerseits um den Bau von gänzlich neuen „Zukunftsstädten“ mit einem hohen Einsatz von digitalen Technologien für städtische Infrastrukturen. Andererseits geht es um den Umbau oder die Ergänzung bestehender Städte mit neuen intelligenten bzw. smarten Lösungen in den Bereichen Mobilität & Verkehr, Kommunikation & Datenverarbeitung sowie Energie- & Wasserversorgung, aber auch um die Digitalisierung der Verwaltung und der sozialen Infrastruktur. Dabei stellt die fortschreitende Digitalisierung der Städte einen enormen Wachstumsmarkt dar, der für Deutschland mit einem Umsatz in Höhe von 85 Milliarden Euro im Jahr 2026 prognostiziert wird.
Die Digitalisierung der Städte ist jedoch nicht nur Ausdruck des technologischen Fortschritts und eines neuen Absatzmarktes, sie ist wesentlich und seit Beginn der ersten Smart-City-Planungen mit dem Anspruch einer nachhaltigen Stadtentwicklung verbunden. War diese Zielsetzung in den ersten Jahren vielfach von einem technokratischen Handeln, einer homogenen Akteurslandschaft und einigen Fehlentwicklungen geprägt, verfolgen heutige Entwicklungen bedarfsorientierte, ganzheitliche Ansätze, sind professionalisiert und bestehen aus multilateralen Akteurskonstellationen. Ferner wirken Leitlinien, wie etwa die Smart City Charta des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit 2017 in Verbindung mit den Nachhaltigkeitszielen der Neuen Urbanen Agenda der Vereinten Nationen (2016). Demnach wird heute die Digitalisierung von Städten als Antwort auf die Frage nach der Vereinbarkeit der Ansprüche der Bewohner:innen an ihre Städte, von Lebensqualität, Klimaschutz und Klimawandel sowie den Anforderungen der Wirtschaft verstanden. Vor diesem Hintergrund gelten viele aktuelle Smart-City-Projekte als Reallabore der Digitalisierung, in denen Kooperationen aus Wirtschaft, öffentlicher Hand, Wissenschaft und Zivilgesellschaft ein gemeinsames Ziel verfolgen: die Verbindung von Wissen und Innovation als Grundlage für nachhaltige Produkte oder Dienstleistungen und letztlich eine nachhaltige Stadtentwicklung. Die Digitalisierung von Städten ist folglich kein Selbstzweck und auch viel mehr als die Versorgung mit technischen Infrastrukturen oder Datennetzwerken, sondern ein umfassendes Innovationsthema.
Die Berliner Zukunftsorte sind Teil dieser Entwicklung und müssen im Rahmen von gesamtstädtischen Digitalisierungs- und Datenstrategien integriert und vernetzt gedacht werden. Digitalisierung gilt an diesen Orten als Ermöglicherin für Innovationen. Dafür sind verfügbare, moderne und sichere technische Infrastrukturen die Grundvoraussetzung. Entscheidend sind allerdings geeignete digitale Plattformen, IoT-Anwendungen und Netzwerke, damit die Zusammenarbeit innerhalb der Wirtschaft und mit der Wissenschaft erfolgreich ist. Einher geht diese Voraussetzung ferner mit der Bereitstellung von entsprechenden physischen Räumen zur Ideen- und Produktentwicklung, wie Fab-Labs, Coworking- und Maker-Spaces. Dazu kommen neue Arbeitszeitmodelle, Logistik- und Mobilitätsangebote, die das digitale und mobile Arbeiten ermöglichen und die Zukunftsorte mit Stadt und Region verbinden oder sogar neue Unternehmensstandorte entlang von „Innovationskorridoren“ ermöglichen. Die digitale Entwicklung der Zukunftsorte ist deshalb standortübergreifend zu denken und eng mit dem Innovationspotenzial der digitalen Entwicklung von Stadt und Region verknüpft.
Dr. Hans-Hermann Albers ist selbständiger Architekt, Stadtforscher und Unternehmensberater in Berlin. Er studierte Architektur- und Städtebau in Graz, Athen und Helsinki. Seine Arbeits-, Lehr- und Forschungsschwerpunkte sind CSR & nachhaltige Stadtentwicklung, Digitale Stadtentwicklung, Stadt- und Regionalökonomie, Wohnungs- und Immobilienwirtschaft. Er lehrt und forscht am Fachgebiet Stadt- und Regionalökonomie, am Institut für Stadt- Regionalplanung der Technischen Universität Berlin.