Die Dolmetscher
2006 starten auf Initiative und mit Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung sechs forschungsnahe Applikationszentren für die Mikrosystemtechnik, die gemeinsam mit Unternehmern wissenschaftliche Erkenntnisse in Produkte „übersetzen“ sollen. Die Förderung läuft 2012 aus. Doch das Modell hält das beteiligte Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration (IZM) für so interessant, dass es weitergeführt werden soll, sagt IZM-Projektleiter Harald Pötter.
Die europäische Technologieplattform EPoSS stellt fest: „Smart Systems sind entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und ganzen Wirtschaftszweigen.
Poetter: Diese Aussage kann ich nur unterstützen. Es gibt im täglichen Leben fast keinen Bereich, der ohne Smart Systems arbeitet. Smart Systems, das sind eingebettete, intelligente Sensoren, die Messdaten nicht nur aufnehmen, sondern sie auch verarbeiten, im Bedarfsfall ihre Informationen an eine übergeordnete Steuerungseinheit senden und oft drahtlos, zum Teil autark funktionieren. Ein deutlicher Trend ist die Verschmelzung smarter mit den aufnehmenden Systemen. So werden smarte Systeme zum integralen Produktbestandteil und bestimmen durch ihre Intelligenz immer stärker die Funktionalität eines Produktes und damit die Wettbewerbsstellung des anbietenden Unternehmens.
Wo steht Deutschland, wo Berlin im globalen Wettbewerb bei Forschung, Entwicklung und Anwendung smarter Systeme?
Deutschland ist ausgesprochen gut aufgestellt. In der Mikrosystemtechnik gehören wir zu den führenden Nationen, Berlin ist der drittstärkste Mikrosystemtechnikstandort Deutschlands. Hinzu kommt ein sehr breit aufgestellter Mittelstand, der hervorragende kundenspezifische Anwendungen und Lösungen etwa im Maschinenbau, der Medizin- oder Kraftfahrzeugtechnik anbietet. Damit haben wir überall dort, wo Smart Systems zum Einsatz kommen können, eine starke Wettbewerbsstellung.
Es gibt sechs solcher Applikationszentren in Deutschland. Berlin betreut den Bereich Smart Systems. Welche Aufgabe übernehmen solche Zentren?
Jedes Applikations-Zentrum hat einen eigenen technologischen Schwerpunkt. Berlin konzentriert sich auf MST-Anwendungen in Logistik, Medizintechnik und Industrieelektronik, aber auch auf technologieferne Branchen wie Landtechnik oder die Bau- und Gebäudetechnik. Hier gibt es noch viel Potenzial. Es geht darum, Unternehmen, die bislang noch nicht in der Mikrosystemtechnik zu Hause sind, an die Technologie heranzuführen. Wir als Zentrum wissen um die Breite des Forschungs-bereichs und können dessen Möglichkeiten übersetzen, zum Beispiel in die Anforderung
eines Maschinenbauers. Wir sind Mittler zwischen Unternehmen und Mikrosystemtechnikern.
Scheut sich der Mittelstand vor technologischen Entwicklungen oder der Arbeit mit wissenschaftlichen Instituten?
Der deutsche Mittelstand ist im europäischen Vergleich sehr innovativ und aufgeschlossen, denkt langfristig und entscheidet schnell. Viele Initiativen stammen nicht aus großen Unternehmen, sondern aus dem Mittelstand.
„Bringing microsystems into application“ lautet Ihr Slogan. Wie geschieht das?
Im ersten Schritt fragen wir den Unternehmer danach, welche Anwendung er anstrebt und warum? Dabei zeigt sich häufig, dass möglicherweise andere Lösungen als die angestrebte interessant sein könnten. Ist dieser Raum abgesteckt, denken wir darüber nach, welche physikalischen Prinzipien es gibt und wie sie in die geplante Anwendung passen. Das diskutieren wir mit dem Unternehmen, zeigen Vor- und Nachteile der verschiedenen Ansätze und überlegen eine technische Lösung.
Muss der Unternehmer, der Unterstützung im Anwenderzentrum sucht, wissenschaftlich „vorbelastet“ sein?
Nein. Der Unternehmer kennt seine Märkte, seine Anwendungen und Anforderungen. Er muss sagen können, was er sich vorstellt. Die Übersetzung in die technische Realisierung übernehmen wir.
In welchen Zeiträumen rechnen Sie von der Idee bis zum Produkt?
Innovationszyklen sind häufig länger als man denkt. Viele Gespräche verlaufen vordergründig erst einmal im Sande. Nach ein oder zwei Jahren werden die Gespräche dann doch fortgesetzt. Die Idee ist sozusagen in den Köpfen der Anwender gereift. Generell dauert es zwischen ein bis vier Jahren. Wir treffen keine Aussage zur Marktfähigkeit. Das ist Sache der Unternehmer.
von Rico Bigelmann
Internet: www.izm.fraunhofer.de