Die Ermöglicherin
Nicole Münnich administriert sieben Leibniz-Institute
Eine Stunde auf dem Klapprad, 20 Kilometer von Potsdam zum Bahnhof Halensee, Morgen für Morgen. Beim Radeln Podcasts, in der S-Bahn nach Adlershof schon Arbeit am Laptop. Seit nunmehr elf Monaten beginnen so Nicole Münnichs Werktage. Damals räumte sie ihren Schreibtisch im brandenburgischen Wissenschaftsministerium, wo sie sich, zuletzt als stellvertretende Abteilungsleiterin, um Digitalisierung gekümmert hatte, und bezog ein Büro in der Rudower Chaussee. Als neue Geschäftsführerin des Forschungsverbunds Berlin e. V.
Dessen Geschichte reicht 30 Jahre zurück in die Anfänge der deutschen Einheit, als die Forschungsbiotope der ehemaligen DDR auf ihre Brauchbarkeit in der neuen politischen Ordnung hin evaluiert wurden. Der Forschungsverbund wurde damals als Trägerorganisation gegründet, um acht Institute der Natur-, Ingenieur-, Lebens- und Umweltwissenschaften, die in Berlin den Test bestanden, und fortan zur Leibniz-Gemeinschaft gehörten, gemeinsam zu verwalten. Eines der Institute ist 2021 ausgeschieden.
Aus einer Lebenszeitstellung im gehobenen Ministerialdienst in ein befristetes Arbeitsverhältnis bei einem eingetragenen Verein, in Münnichs Biografie war die Neigung zum beherzten Neuanfang seit jeher ausgeprägt. Schon als die dreizehnjährige Schülerin im heimatlichen Plauen den bis dahin der „DDR-Elite“ vorbehaltenen Tennisclub aufsuchte und fragte, ob sie jetzt nach der Wende mitmachen dürfe. Als sie ebenso unbekümmert einige Jahre später der Lokalzeitung, dem „Vogtland-Anzeiger“, Berichte aus dem örtlichen Tennisgeschehen anbot.
Daraus wurden eine frühe Karriere als Sportreporterin und Lokaljournalistin sowie ein Zeitungsvolontariat, schließlich eine Redakteurinnenstelle, der Münnich indes nach zwei Monaten den Rücken kehrte. Eine andere Frage brannte ihr auf den Nägeln: Wie hatte es geschehen können, dass das Traumland ihrer DDR-Kindheit, Jugoslawien, „gefühlt aus dem Nichts“ in Sezessionskriegen versank? „Alle haben gesagt, das liegt an der Geschichte – okay, studieren wir die Geschichte.“
Münnichs Magisterarbeit an der Universität Leipzig war einem Thema aus dem Umkreis der Vergangenheitsbewältigung im Jugoslawien der Zeit nach der Präsidentschaft von Josip Broz Tito gewidmet. Für ihre Promotionsschrift über Stadtentwicklung und Stadtgesellschaft im Belgrad der 1960er Jahre, die sie zu Forschungsaufenthalten auch nach New York und Washington führte, erhielt sie den Dissertationspreis der Südosteuropa-Gesellschaft. Als Hochschullehrerin sah sie sich dennoch nicht.
Die administrative Seite fand sie interessanter. „Ermöglichen“ ist ihr Stichwort: „Es geht darum, für Wissenschaft die besten Bedingungen zu ermöglichen.“ Sie liebt den steten Wechsel, den das Forschungsmanagement ihr abverlangt. Hätte sie sich je gedacht, dass sie sich einmal um Energiepreisbildung kümmern würde? „Es gibt permanent etwas Neues, immer unterschiedliche Dinge, die ich herausfinden muss.“
Noch immer schlägt ihr Herz auch für den Sport. Besonders heftig für Eintracht Frankfurt. Erstaunlich bei einer sächsischen Wahl-Berlinerin? „Angeheiratet“, sagt Münnich. Ihr Mann, der an der Humboldt-Universität zu Berlin Südosteuropäische Geschichte lehrt, stammt aus der Main-Metropole.
Dr. Winfried Dolderer für Adlershof Journal