Die Macht des Gesagten: Werkzeug Sprache
Essay von Paulina Czienskowski, freie Journalistin aus Berlin
Unser Werkzeug ist die Sprache – sie formt unser aller Lebenswelt. Wer mitgestalten will, sollte sie gewissenhaft und wachsam einsetzen
Es gibt Tage, an denen wünsche ich mir, alles Negative in der Welt mit einer Fernbedienung einfach ausknipsen zu können. Von Rassismus bis Sexismus, von der Klimakatastrophe bis zu autokratischen Staatschefs. Die Liste ist lang.
Gerade weil das alles so tief verwurzelt ist, die knöchernen Strukturen, auf denen unser System gebaut ist, oftmals so starr und unabänderbar wirken, die Schichten unendlich, bis die Welt tatsächlich Gleichberechtigung oder Frieden schreiben würde, fühlen sich manche hilflos. Wo anfangen, wo aufhören? Puh!
Diese Fernbedienung jedenfalls gibt es nicht. Augen, Mund, Ohren zu, funktioniert auch nicht. Darf es nicht. Gerade weil die Welt komplexer wird, zusätzlich das Internet den Informationswust gleichermaßen lichtet und überfüllt, darf die individuelle Verantwortung nicht einfach so abgegeben werden.
Natürlich können wir (fast) alle nichts für die Welt, in die wir hineingeboren wurden. Was wir aber können, ist es, die Wirklichkeit darin bewusst mitzugestalten, und zwar mit einem Werkzeug, mit dem die allermeisten von uns ausgestattet sind: unserer Sprache. Der Schlüssel zum menschlichen Sein.
Wenn wir verbalisieren, was in unserem Inneren, unseren Gedanken passiert, was wir beobachten und fühlen, wenn wir Ungerechtigkeiten jeder Art und Missstände zum Ausdruck bringen, schaffen wir Verständnis für uns selbst und unsere Mitmenschen. Übrigens auch im allerkleinsten Kreis. Allein in Liebesbeziehungen zu reden, ist Gold wert.
Zu kommunizieren bedeutet, nicht nur am Tresen auszusprechen, was wir trinken wollen. Sondern: Dinge sichtbar werden zu lassen und damit Empathie zu schaffen. Wer sich selbst kennenlernt, kann auch andere kennenlernen. Verständnis trifft auf Verständnis – so einfach.
Sprache bedeutet Macht, positiv wie negativ. Diese sollte zum Einsatz kommen, wenn sie von anderen gegen Minderheiten missbraucht wird. Sprache befähigt uns zu kritisieren und zu verbessern, wer zum Beispiel bewusst wie unbewusst Rassismen reproduziert hat, beleidigt oder stigmatisiert. Es ist unsere Pflicht, dagegen vorzugehen. Denn es sind nicht nur Worte.
Worte formen unser Fühlen, Denken, Handeln – unser aller Wahrnehmung; prägen das Miteinander, das sich weiter verhärtet, wenn nicht achtsam genug mit Sprache umgegangen wird – und im Gegenteil Herzen aufsteigen lässt, wer auf Bedürfnisse und berechtigte Forderungen anderer – oder die eigenen – eingeht. Online wie offline.
Sich gegen Hörgewohnheiten zu stellen, bedeutet zum Beispiel auch zu gendern. Allein mit diesem verhältnismäßig kleinen Schritt lässt sich schon ein Zeichen für eine inklusive Gesellschaft setzen. Man signalisiert: Ich sehe und respektiere dich. Natürlich bedarf ein Umgewöhnen Anstrengung. Doch die Energie ist gut angelegt.
Stichwort Gewohnheiten – die sollen ja menschlich sein. Viele der Sprachcodes und Formulierungen, die so feststehen wie die Regel, dass man bei Rot stehen bleiben soll, bleiben ja. Doch flexibel auf Bedürfnisse von Mitmenschen einzugehen, sollte selbstverständlich sein.
Immer wieder aufs Neue ganz genau hinhören, justieren; überrascht und empört sein, wenn Narrative reproduziert werden, die sich gegen einen großen Teil unter uns aussprechen und die Welt damit nur für „Gewinner“ der Gesellschaft lebenswert machen.
Sprache als Waffe. Wie schön es doch wäre, wenn sie nicht mehr zum Einsatz kommt, weil jemand geschossen hat. Weil sich die Gesellschaft auf neue Codes geeinigt hat, die in unserer Welt nur ausschließen, wer andere ausschließt.