Die Milch unter der spektralen Lupe
Die Firma JTL-BioTec.Analytics aus Adlershof entwickelt und vermarktet Messtechnik für die Lebensmittel- und Medikamentenanalyse
Sie setzt auf preiswerte Hightech-Geräte, die sich auch kleinere Betriebe leisten können. Gefertigt wird bald auch in Indien.
Der lange Flug, das ungenießbare Leitungswasser und die vielerorts mit Melamin und Palmfett gepanschte Milch haben Frank Wagner bei seinen Reisen nach Indien gar nicht gefallen. Doch die Besuche in Ahmedabad im Bundesstaat Gujarat haben sich ausgezahlt: Das indische Unternehmen Everest Instruments übernimmt künftig die Produktion eines von Wagner entwickelten Messgeräts für Milchfett. Die Vertriebsrechte des FatScan genannten tragbaren Spektrometers für Europa hat sich JTL laut Wagner allerdings gesichert. „Die Inder liefern uns dann die Geräte“.
Vor etwa 20 Jahren begann der Aufstieg der Spektroskopie bei der Analyse von Proben unterschiedlichster Art. Die Technik basiert auf der Wechselwirkung zwischen Materie und elektromagnetischen Wellen. Unterschiedliche Stoffe absorbieren oder emittieren Energie bei unterschiedlichen Wellenlängen. Das daraus in den Messungen entstehende Infrarot-Spektrum lässt oft präzise Rückschlüsse auf die Zusammensetzung einer Probe zu.
Auch für die Untersuchung von Lebensmitteln auf Zusammensetzung und mögliche Schadstoffe ist Spektroskopie mittlerweile unverzichtbar: „Von Vorteil ist, dass es schneller geht als bei den nasschemischen Verfahren, die zu den häufigsten angewandten Methoden in der analytischen Chemie gehören“, die wegen des nötigen Fachpersonals auch teurer seien, sagt Wagner.
JTL hat sich vor allem auf Milch und Milchprodukte spezialisiert. Sie bietet neben Spektrometern und Osmometern zur Bestimmung von Masseverhältnissen und Gefrierpunkten auch Service und hilft den Kunden, die komplizierten Geräte zu kalibrieren.
Milch wird aus gutem Grund ausgiebig kontrolliert: Durch Euterentzündungen können Keime hineingelangen, die in folgenden Produktionsstufen auch den Joghurt oder Käse verderben. Beim Transport könnte sie durch verschmutzte Rohre kontaminiert werden. Auch kleinere Molkereien und Landwirtschaftsbetriebe sind deshalb an einer möglichst engmaschigen Kontrolle interessiert – auf dieses Marktsegment zielt Wagners Firma.
„Es gibt in unserer Branche einige Platzhirsche, die Spektrometer für mehr als 10.000 Euro anbieten“, sagt der Physiker. Solche Geräte stehen in größeren Labors, etwa bei behördlichen Lebensmittelkontrolleuren. Kleinere Unternehmen müssen jedoch in der Regel gar nicht so viele Parameter untersuchen, dass sich die Anschaffung lohnt. Sie interessieren sich unter anderem für den Fettanteil, nach dem sich der Preis der Milch richtet. „Wir wollen mit abgespeckter Sensorik und kleineren Geräten niedrigpreisige Angebote machen“, erläutert Wagner. Der mit kurzwelliger Infrarotstrahlung arbeitende FatScan von JTL etwa kostet zwischen 1.000 und 1.500 Euro und ist für den Landwirt per Knopfdruck zu bedienen.
Großes Potenzial sieht Wagner für die Spektralanalyse auch bei der Untersuchung von Granulaten im Lebensmittel- und Pharmabereich, bei denen geschaut wird, ob ein Wirkstoff richtig eingeschlossen oder ob Feuchtigkeit vorhanden ist. Ganz verzichten wird die Lebensmittelanalytik nicht auf das Nasslabor, denn viele Stoffe lassen sich mit Spektroskopie allein nicht zweifelsfrei identifizieren. Laktose und Harnstoff etwa liefern in Spektralanalysen nur geringe Signale, manche Stoffe sind nur durch physikalische Messung nicht zu unterscheiden. Manchmal sei der Gang ins Labor doch unverzichtbar.
Von Claudia Wessling für Adlershof Special