Die Peptidarchitektin
Nadja Berger forscht in Adlershof an einer neuartigen Impfstoffplattform
Ein Unternehmen in der Startphase. Ein neu entwickeltes, weltweit einzigartiges Verfahren. Eine junge Chemikerin. Nadja Berger hatte zwei Jahre an der University of Pennsylvania in Philadelphia verbracht und strebte zu neuen Ufern. Sie hatte noch nicht allzu viele Stellenanzeigen studiert, da fiel ihr der Firmenname Belyntic ins Auge. Die Gründer des Unternehmens hatten soeben eine Methode patentieren lassen, um synthetisch hergestellte Peptide effizienter zu reinigen. Mit Peptiden kennt Berger sich aus, auch mit den Problemen des herkömmlichen Reinigungsverfahrens: „Ich war sofort begeistert.“
Seit April 2019 steht ihr Schreibtisch am Adlershofer Standort der BAM Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung, wo Belyntic mit derzeit zehn Mitarbeitenden zwei Laborräume und zwei Büros bezogen hat. Peptide sind Verbindungen aus Aminosäuren, wie sie in jedem Organismus vorkommen, und gelten in der Medizin mittlerweile als therapeutische Hoffnungsträger. Sie eignen sich als Bausteine von Wirkstoffen etwa gegen Krebs, Demenz oder Diabetes. Bei Belyntic leitet Berger seit Anfang 2021 die technische Entwicklung einer Plattform für peptidbasierte Impfstoffe.
Das Ziel sei es, so beschreibt sie ihre Rolle, die beste molekulare „Architektur“ der Peptide zu identifizieren. Aus unterschiedlichen Bausteinen und Anordnungen entstehen so verschiedene „Kandidaten“ für ein Vakzin, die anschließend getestet werden. Die bei Belyntic entwickelte Technologie der „einfachen Peptidreinigung“, kurz „PEC“ für „Peptide Easy Clean“, erleichtert die Arbeit. Sie steht am Ende jeder synthetischen Herstellung einer Aminosäurenkette, um Mängel und Verunreinigungen zu beseitigen. Dabei werden, so beschreibt Berger das Prinzip, mit einem molekularen „Angelhaken“ die erwünschten und brauchbaren Peptide gezielt herausgefischt. Im Vergleich zur gängigen Methode sei das neue Verfahren sparsamer im Materialverbrauch, vielseitiger verwendbar, einfacher, schneller.
Der Alltag mit Peptiden ist nichts, was sich die heute 37-Jährige seit frühester Jugend an ausgemalt hätte. In der Schule fristete das Fach Chemie ein Schattendasein, ohnehin stellte sich Berger eine Zukunft als Ärztin vor. In Köln belegte sie einen Vorsemesterkurs am Rheinischen Bildungszentrum, das angehende Mediziner:innen mit den naturwissenschaftlichen Grundlagen ihres Studiums vertraut machte, und entdeckte hier die Neigung zur Chemie.
Die Diplomarbeit entstand aus einem Forschungsaufenthalt im irischen Cork, die Promotion an der Bochumer Ruhr- Universität.
Aufgewachsen ist Berger im württembergischen Remstal, in Schorndorf. Berlin ist die jüngste Station eines etappenreichen Lebenslaufes. Es gefällt ihr hier, nicht zuletzt das Kulturangebot. Vom Neuköllner Richardkiez am Tempelhofer Feld fährt sie eine halbe Stunde mit dem Rad ins Labor. Mit der Firma wird sie voraussichtlich Ende des Jahres neue Räume beziehen. In jedem Fall aber wieder in Adlershof.
Dr. Winfried Dolderer für Adlershof Journal