Die perfekte Welle
SURF ERA holt das Meer in die Großstadt
„Ich bin nur ein Surfer, der etwas basteln wollte, mit dem ich länger surfen konnte.” Jack O’Neill, dem diese Worte zugeschrieben werden, war nicht nur ein passionierter Surfer aus der Gegend um Santa Cruz in Kalifornien, sondern auch ein begnadeter Unternehmer. 1952 gründete er das Unternehmen O’Neill, das heute vor allem als Hersteller von Surf- und Sportbekleidung bekannt ist. Die Parallelen zu Eirik Randow sind fast unheimlich: In Santa Cruz – als Austauschschüler – „infizierte“ sich Randow mit dem Surfvirus, das ihn seitdem nicht mehr losgelassen hat. Und heute baut er mit SURF ERA etwas, das ihm – und vielen anderen – erlauben soll, öfter zu surfen: Er holt das Meer in die Großstadt.
Die Geschichte des Wellenreitens beginnt in Polynesien. Höhlenmalereien aus dem 12. Jahrhundert zeigen Menschen, die auf Wellen über das Meer gleiten. Als Seefahrer brachten die Polynesier das Surfen zu Beginn des 18. Jahrhunderts nach Hawaii und sorgten so für die Ausbreitung des Sports. Für die Hawaiianer war das Surfen jedoch nicht nur ein Sport, sondern auch ein wichtiger Bestandteil ihrer Religion. Im Tagebuch des englischen Entdeckers James Cook findet sich die erste schriftliche Überlieferung zur Geschichte des Surfens.
Namhafte Reiseschriftsteller wie Mark Twain oder Jack London berichteten vom Sport in den Wellen und weckten damit ein großes Interesse in der Bevölkerung. Mittlerweile ist Wellenreiten ein Breitensport geworden und schon lange nicht mehr einer kleinen Gruppe von Extremsportler:innen vorbehalten. Es ist das magische Gefühl, von einer Welle getragen zu werden – im Einklang mit sich selbst und der Natur. Laut ISA, der International Surfing Association, surfen weltweit etwa 35 Millionen Menschen, der Sport ist olympisch und hat auch in Deutschland etwa 500.000 ernsthafte Anhänger, die regelmäßig surfen. Deren Problem? Sie müssen raus in die Welt, dahin, wo die Wellen sind. Auch Eirik Randow macht seit Jahren die gleiche Tour: Frankreich, Spanien, Portugal. Immer auf der Suche nach der perfekten Welle. Nun will er mit dem ersten Surf- und Wassersportpark den Ozean in die Hauptstadtregion holen.
Randow hat Sportwissenschaften und Betriebswirtschaftslehre an der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) studiert. Was lag da näher, als sich mit seinem liebsten Hobby auch akademisch zu befassen. „Die Projektidee ist aus der Passion entstanden“, erklärt er. SURF ERA ist ein bislang einzigartiges Hybrid aus Surf-Wassersport und Freizeitpark, dessen Herzstück ein sogenannter überdachter Wavepool, ein Wellenbecken mit 10.000 Quadratmetern Wasserfläche und Endless-Surftechnologie ist.
Wavepools sind eine Berliner Erfindung. 1967 befassten sich die Berliner Wissenschaftler Siegfried Schuster und Christian Boes mit einem System, das Wellen erzeugt, um deren Effekte auf einen Schiffsrumpf zu testen. Ein amerikanisches Unternehmen lizensierte die Technologie und entwickelte sie kommerziell für den Bau von Wavepools.
Der SURF-ERA-Wavepool kann Wellen unterschiedlichster Form und Höhe generieren, von 30 Zentimetern bis zu 2,2 Metern. Alle acht Sekunden kommt so eine Welle, die im 150 Meter großen Becken bis zu 100 Surfer gleichzeitig „reiten“ können. Zum Vergleich: Andere Indoor-Surfpools, die derzeit in der Region entstehen, haben Beckengrößen von neun bis zwölf Metern. „Das ist kaum dasselbe, eher so, als vergleiche man einen Golf mit einem 7er BMW“, erklärt der Humboldt-Innovation-Alumni die Dimensionen. Ergänzt wird der Wavepool auf insgesamt sechs Hektar Fläche von weiteren Attraktionen wie einem Badestrand, einem Boulderbrocken zum Klettern, einem Skatepark, Cafés, Restaurants, Hotels, Coworking-Spaces und Wellnessangeboten. Es ist jedoch nicht die schiere Größe, die SURF ERA einzigartig macht. Die Dachkonstruktion kann wie das Dach eines Cabriolets geöffnet werden und dient geschlossen als thermische Hülle. Die Anlage soll ohne den Einsatz fossiler Brennstoffe auskommen und über den kombinierten Einsatz erneuerbarer Energieträger genauso viel Energie erzeugen, wie sie für den Betrieb benötigt. Getreu dem Motto, das ein weiterer berühmter Surfer – Kelly Slater – ausgegeben hat: „Ich denke, wenn ein Surfer ein Surfer wird, ist es fast eine Verpflichtung, gleichzeitig ein Umweltschützer zu werden.“
„Die Pläne“, erzählt Randow, „haben sich seit dem Start 2019 immer wieder verändert.“ Nichts Ungewöhnliches für ein Projekt dieses Ausmaßes. Aktuell stehe man vor dem Kauf des Grundstückes. Ein Meilenstein, denn dann, so Randow, würde aus dem „Traum“ endlich ein „aktives Projekt“.
Davor gibt es für Randow allerdings noch eine weitere Herausforderung zu meistern. In diesem Sommer geht es nicht in die Sonne zum Surfen, sondern nach Norwegen. Das Meer vor den Lofoten ist an der Küste etwa 500 Meter tief und lockt mit meterhohen Wellen – und ziemlich kalten Temperaturen.
Rico Bigelmann für Adlershof Journal