Die Schneise als Biotop
Flora und Fauna unter Leitungstrassen biologisch und ökonomisch sinnvoll gestalten
Mit der Energiewende gewinnt das Problem des Stromtransports eine immer größere Bedeutung. Der damit verbundene Ausbau des Netzes rückt auch Leitungstrassen und deren Einfluss auf die umliegende Natur stärker ins Blickfeld der Öffentlichkeit. Ökologische Trassierung mittels lasergestützter Fernerkundung und naturnahe Stromschneisenbiotope sind das Arbeitsgebiet der SAG CeGIT aus Adlershof.
Der Transport von hochgespanntem Strom erfolgt in Deutschland fast ausschließlich über Freileitungen auf breiten Trassen. Eine Vielzahl gesetzlicher Auflagen widmet sich der Sicherheit und Wartung bestehender Leitungen und ihrer Strom führenden „Seile“. Bestimmungen zur naturnahen Schneisengestaltung im und um den Trassenverlauf gelten dagegen erst seit Kurzen und zunächst nur für Neubauten. „Nicht nur ökologisch“, sagt Thorsten Werner, Leiter Fernerkundung im Bereich CeGIT der SAG, die für die Projektierung und Trassierung von Stromleitungen Geo-, Netz- und Anlagendaten erhebt und verarbeitet, „auch wirtschaftlich ist die Planung dieser Stromschneisen sehr sinnvoll.“ Sie gewährleiste den schadensfreien Betrieb und spare Geld.
„Kein Trassenkilometer ist wie der andere“, erklärt Thorsten Werner, „jede Baum- und Buschart hat ihre eigene Wachstumsdynamik. Für die Betriebssicherheit einer Stromtrasse sind Informationen zu Flora und Fauna unter den Leitungsseilen enorm wichtig.“ In die Leitungen wachsende Bäume können nicht nur Versorgungsunterbrechungen verursachen, die bis zu 380.000 Volt führenden Leitungen können auch gefährlich werden. Sie entfachen Brände, wenn Pflanzen zu nah heranwachsen und führen bei Kontakt durch Tier oder Mensch zu tödlichen Unfällen.
Verantwortlich für die Betriebssicherheit einer Trasse ist immer der Netzbetreiber. Er muss seine Trassen und die darunter liegenden Schneisen pflegen. Standardisierte Rückschnitte oder gar Kahlschläge – bislang Praxis – führen aber selten zum gewünschten Ziel, weiß Geograf Werner. Zweckmäßiger sei es, darüber nachzudenken, welche „naturräumliche Ausstattung“ unter der Trasse ökologisch sinnvoll und gleichzeitig leicht zu pflegen sei. Ein Zielbiotop entwickeln, nennt Werner das.
Helikopter, Kleinflugzeuge und Drohnen, die mit modernsten Laserscannern oder Infrarotkameras ausgestattet sind, überfliegen die Trasse, erheben Daten und analysieren mit einer Spezialsoftware den Ist-Zustand. Ergebnis der Auswertung ist ein Kataster, dass Biotoptypen bestimmt, aus denen sich Wachstumsprognosen ermitteln, Minderabstände und Wuchshöhen benennen und Baumfallkurven berechnen lassen. Am Ende stehen genaue Pflegepläne für die einzelnen Trassenabschnitte oder gar die Umwidmung in pflegeleichtere Biotope. „Ökologische Trassenpflege bringt Trassenpflege und Umweltschutz in Einklang, sie ist effektiv und erzielt ökonomische Effekte“, ist Thorsten Werner überzeugt.
Von Rico Bigelmann für Adlershof Special
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