Die Straßenbahnerin
Ramona Stöhr bringt die Adlershofer zur Arbeit und zum Studium
Den ersten Zug im Regelbetrieb auf der neu eröffneten Straßenbahnstrecke durch die Wissenschaftsstadt steuert eine Frau. Ramona Stöhr ist eine der wenigen Fahrerinnen bei Berlin Transport, einer Tochtergesellschaft der BVG. Die Adlershofer werden sie jetzt öfter zu Gesicht bekommen.
Ramona Stöhr ist eine von den Netten, eine Berlinerin mit Herz. Sie wartet, wenn sie im Seitenspiegel sieht, dass noch jemand zur Haltestelle hastet, der die Bahn nicht verpassen will. Und sie bleibt geduldig, wenn mancher Fahrgast sich mit dem Aufrücken schwertut und die Türen blockiert. Der Servicegedanke in ihr ist nach 21 Jahren im Lebensmittelhandel fest verankert. Denn eigentlich ist sie gelernte Verkäuferin. Vor drei Jahren fiel ihr Job Umstrukturierungen zum Opfer. Der Vater ihrer Kinder, Busfahrer bei Berlin Transport, warb sie für das Unternehmen als Straßenbahnfahrerin. Sie schulte um und ist immer noch begeistert.
Neben diesem unbeschreiblichen Gefühl, in der Fahrerkabine zu sitzen und die Bahn zu lenken, werde es nie langweilig, sagt sie. „Es passiert immer etwas anderes auf der Straße, heute ein Wasserrohrbruch, morgen eine Baustelle oder wie in Adlershof jetzt eine Streckenerweiterung.“ Stöhr, ausgestattet mit Poloshirt, Weste, Jeans sowie Fleecejacke in den Farben grau und lila als Dienstbekleidung, bringt Menschen aller Couleur, Jung und Alt, pickfein zurechtgemacht oder in Jogginghose ans Ziel, rätselt, ob diese zur Arbeit, zum Einkaufen oder ins Theater wollen. Für Touristen, die nach dem Weg und Anschlussverbindungen fragen oder die nicht wissen, wie man den Fahrkartenautomat bedient, hat sie ein offenes Ohr.
Natürlich ist sie nicht immer auf der gleichen Linie unterwegs, sondern alterniert mit ihren 187 Kollegen auf durchschnittlich zwölf Linien quer durch die Stadt. Auch lasse die Arbeit im wöchentlich wechselnden Schichtbetrieb wenig Routine aufkommen. Gegen 4 Uhr beginnt die Frühschicht, es gibt eine Wechselschicht von 11 bis 20 Uhr, die Spätschicht geht von ca. 17 Uhr bis Betriebsbahnende gegen 0.30 Uhr und in der ZBV-Woche (zur besonderen Verfügung) wird man dort eingesetzt, wo es eine Lücke gibt. Klingt nicht wirklich familienfreundlich. Doch Stöhrs Kinder seien mit 14 und 17 Jahren groß und hätten mit der Schichtarbeit kein Problem. In der Freizeit zieht es die Sonnenanbeterin zum Baden an den Bötzsee und Weihnachten verbringt sie dieses Jahr in Thailand. Ansonsten seien da noch zwei Katzen zu Hause, das sei Hobby genug.
Negative Erfahrungen mit pöbelnden Halbstarken hat sie bisher keine gemacht. Nur einmal musste sie die Notbremse ziehen. Das war noch während ihrer dreimonatigen Umschulung. Ein Schüler wurde vor die Bahn geschubst. Doch Stöhr bewies Nervenstärke und reagierte prompt, sodass der Unfall glimpflich endete. Seitdem beobachtet sie die Fahrgäste genau und klingelt lieber einmal mehr.
von Sylvia Nitschke
Link: www.berlintransport.de