Digital divers und integriert
Diversität in zwei spannenden digitalen Tools
Diversität in zwei spannenden digitalen Tools: Open Deutsch, ansässig im Charlottenburger Gründungszentrum (CHIC), verbindet das Deutsch-Lernen und die Integration. Ebenfalls digital ist Inclusify, eine Anwendung zur Sensibilisierung für Diversität, entwickelt in der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM).
Olga Aktas hat drei Hochschulabschlüsse: PR in Russland erworben; Kommunikation, Medienwissenschaften und Deutsch als Fremdsprache in Deutschland. Aktas, die hier seit neun Jahren lebt, erzählt: „Als ich hergekommen bin, wusste ich nicht genau, wohin ich mich wenden sollte und wie ich eine Steueridentifikationsnummer und Krankenversicherung beantragen muss. Das Behördendeutsch ist auch ganz schön schwer.“ Sie überlegte, ob es dafür nicht eine Lösung gäbe, und gründete Open Deutsch Anfang 2020. Heute ist der digitale Leitfaden im Internet nutzbar.
Den Beginn machte die OER, eine „Open Educational Resources”-Sammlung. Dafür bekam das Team um Olga Aktas das Berliner Start-up-Stipendium. Das Ziel: Bildung sollte kostenlos sein und Deutschlehrer:innen im Ausland sollten kostenlos Zugang zu Materialien rund um das Thema Deutsch lernen haben. Natürlich digital!
Die Kunden von Open Deutsch kommen vorwiegend aus dem B2B-Bereich: deutsche Firmen, die nach Talenten aus dem Ausland oder dem Inland, aber mit Migrationshintergrund suchen. Sprachschulen finden diese internationalen Fachkräfte und bekommen von Open Deutsch die Software an die Hand, mit der sie unterrichten. Die Software garantiert die Qualität der Vermittlung. Das ist besonders im Ausland wichtig, weil dort oft Nicht-Muttersprachler:innen unterrichten.
Open Deutsch will einerseits vermitteln, andererseits in Deutsch fit machen und integrieren. So gibt es inzwischen auch einen ausführlichen Leitfaden zum Leben in Deutschland. Beim Klick auf den Bereich „Wohnungssuche” beispielsweise erscheinen erst einmal die wichtigsten Vokabeln, die zum Mieten einer Wohnung nötig sind, außerdem gibt es Links zu Suchportalen und Behörden. Darüber hinaus sind die entsprechenden Formulare zur Wohnungsanmeldung auf Deutsch und auf Englisch hinterlegt. „Perfekt für Personaler:innen in Firmen, die Fachkräfte aus dem Ausland rekrutieren wollen, aber vielleicht gar nicht die Ressourcen und das Wissen haben, sich um die Integration zu kümmern“, erklärt die Kommunikationswissenschaftlerin.
Im Team arbeiten aktuell vier Leute: Neben Olga Aktas ist Hans-Hermann Bode als Co-Gründer an Bord. „Jung, alt, homo- und heterosexuell, mit und ohne Familie, also richtig divers!“, schmunzelt Aktas. Nachdem ihr Produkt entwickelt und in Kooperationen in Berlin und im Ausland getestet wurde, geht es jetzt um die Vermarktung und um die eigentliche Vermittlung.
„Liebe Kollegen …“, oder wie sollte das heute geschrieben sein – doch lieber „liebe Kolleg:innen“ oder „liebe Kolleginnen und Kollegen …“ oder doch lieber mit Genderstern. Und wie ist das mit anderen diversitätssensiblen Worten? Ein interdisziplinäres Thema, das sich sehr dynamisch entwickelt.
Leitfäden zur geschlechtergerechten Sprache regeln die Verwendung sensibler Formulierungen. In der Praxis ist jedoch der Einsatz digitaler Hilfsmittel sinnvoll, um den Nutzenden konkrete Formulierungsvorschläge anzubieten. In der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) wurde ein digitales Tool entwickelt, das unterschiedliche Formulierungsvorschläge aus bestehenden Leitfäden und Glossaren zur geschlechtergerechten Schreibweise generiert. Julia Sommer, Referentin für Personalentwicklung, führte die Fäden zusammen: „Unsere Anwendung ‚Inclusify‘ funktioniert wie eine Übersetzungswebseite.“
Wird eine Textpassage im Eingabefeld eingefügt, generiert „Inclusify“ automatisch inklusive Änderungsvorschläge, ähnlich wie in einem Rechtschreibprogramm. „Zur Sensibilisierung für das Thema Diversität wird ergänzend eine kurze Information eingeblendet, die erklärt, warum ein bestimmter Begriff nicht diversitätssensibel ist“, ergänzt Sommer.
Entstanden ist „Inclusify“ durch eine Zusammenarbeit mit DigitalServices4Germany, einer bundeseigenen Softwareentwicklungseinheit. Ein vierköpfiges Entwicklungsteam erarbeitete mit sechs Kooperationspartner:innen aus der BAM einen funktionsfähigen Prototyp. Die geschlechtersensible Sprache stand zuerst im Fokus – schnell wurde in der agilen Softwareentwicklung klar, dass der Prototyp zukünftig auf weitere Diversitätsdimensionen ausgeweitet wird.
Das Programm ist eine Open-Source-Freeware, auf die alle kostenlos zugreifen und sie bearbeiten können, sowohl auf das Tool als auch auf den Quellcode. Also können sich öffentliche Einrichtungen, Vereine, Schulen und Forschungsinstitutionen an der Weiterentwicklung beteiligen.
Jördis Götz für POTENZIAL