Doktor Europa
Bessere Jobchancen für Joint-PhD-Kandidaten
Doktoranden der Geographie (Komparative Urbanistik) können seit Herbst 2012 an einem Joint-PhD-Programm zwischen der Humboldt-Universität zu Berlin und dem Kings College London teilnehmen. Drei Jahre lang forschen sie an einem Thema und verbringen ein Jahr an der Partneruniversität. So lernen sie zwei verschiedene wissenschaftliche Kulturen kennen und können Kontakte zu anderen Wissenschaftlern knüpfen. Zum Doktortitel gibt es zwei Zeugnisse: ein deutsches und ein britisches. Das soll auch die Jobchancen erhöhen.
Ein ähnliches Programm gibt es seit Kurzem für Doktoranden der Mathematischen Physik an der Humboldt-Universität. Bei GATIS (Gauge Theory as an Integrable System) können junge Wissenschaftler an europäischen Partneruniversitäten oder bei Industriepartnern zum Thema Eichfeldtheorie forschen. Ein Joint-PhD – wie in der Geographie – wird hier aber nicht verliehen.
Ellen Köhrer hat mit den Joint-PhD-Teilnehmern über ihre Erfahrungen gesprochen.
„Berlin ist ein urbanes Labor“
James Field, 33 Jahre, aus Coventry, Großbritannien
Start Joint PhD: September 2011 in London
Berlin: Juni 2013 bis voraussichtlich September 2014
Ich bin der erste Teilnehmer des Joint-PhD-Programms. Am Anfang konnte ich noch nicht so gut Deutsch. Meine Doktorarbeit schreibe ich über die öffentlichen Lebensräume Canary Wharf in London und den Potsdamer Platz in Berlin. Dazu muss ich Passanten befragen. In Berlin fiel mir das erst mal schwer. Mittlerweile spreche ich ganz gut Deutsch.
Weil ich später Karriere in der Wissenschaft machen will, glaube ich, dass ich durch den Joint PhD einmal bessere Chancen bei der Jobsuche haben werde. Das britische Universitätssystem kenne ich schon ganz gut; ich habe dort lange vor meinem Geographiestudium in der Verwaltung gearbeitet. Jetzt sehe ich, was in Deutschland anders läuft, und auch, welche kulturellen Unterschiede es gibt. Als PhD-Student bekomme ich sehr viel Feedback von meinen beiden Betreuern aus Großbritannien und Deutschland.
Berlin ist ein urbanes Labor – die Geschichte der Stadt ist sehr spannend und mich interessiert sehr, wie deutsche Wissenschaftler die Wiedervereinigung erlebt haben. Berlin ist nicht so teuer wie London, deshalb kann man hier viel mehr unternehmen. Ich gehe gerne in Museen oder Galerien oder mache Spaziergänge von meiner Wohnung am Tiergarten zum Potsdamer Platz oder durchs Regierungsviertel.
„Netzwerke für die Zukunft“
Sebastian Schlüter, 32 Jahre, aus Berlin
Start Joint PhD: Oktober 2012 in Berlin
London: Oktober 2013 bis voraussichtlich Sommer 2014
Ich schreibe meine Doktorarbeit über christliche Gemeinschaften in London und Berlin und darüber, welche Rolle sie für ihr Viertel spielen. Durch den Joint PhD lerne ich zwei verschiedene Universitäten in zwei Ländern kennen. In jedem Land habe ich einen Betreuer und weil ich meine Doktorarbeit auf Englisch schreibe, lerne ich die Sprache auf hohem Niveau. In Adlershof habe ich mein eigenes Büro, wo ich in Ruhe arbeiten kann – in London arbeiten wir Doktoranden alle in einem Großraumbüro. In unserer Freizeit gehen wir gerne zusammen ins Theater oder in den Pub. Das schweißt zusammen.
Die Briten sind anderen Kulturen gegenüber sehr offen und gute Netzwerker. Man knüpft leicht Kontakte und tauscht sich aus; ob an der Uni oder auf Konferenzen. Hier in London gibt es zu meinem Doktorthema eine international renommierte Forschergruppe, die habe ich schon kennengelernt. Diese Kontakte können mir später auch bei der Jobsuche weiterhelfen. Momentan gibt es in Großbritannien mehr Stellen für Wissenschaftler als in Deutschland.
„Doktoranden aus der ganzen Welt“
Julia Nast, 29 Jahre, aus Berlin
Start Joint PhD Sozialwissenschaften: Oktober 2011 in Berlin
London: September bis Dezember 2013
In Deutschland sind wir Doktoranden sehr frei und gestalten vieles selbst. Mein Londoner Professor sagte mir dagegen: Bei uns hat eine Dissertation normalerweise acht Kapitel. Eine klare Ansage. Weil mein Professor in London wenige Doktoranden betreut, hat er viel Zeit für mich. Die Mitarbeiter auf beiden Seiten sind eng miteinander vernetzt und wissen genau, wer für welche Fragen zuständig ist.
Wir Doktoranden kommen aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Schweden, China und Äthiopien. Zusammen organisieren wir zurzeit eine Session für eine Konferenz der Royal Geographical Society in London, die wir auch moderieren. Da sammeln wir wertvolle Erfahrungen für später.
In unserer Freizeit sind wir mit unserem Professor auch mal in den Pub gegangen oder haben uns zum Essen auf einem der Food Markets getroffen. Das Leben in London finde ich spannend. Weil es aber so teuer ist, wohnen die meisten Studenten außerhalb und haben lange Anfahrtszeiten zur Uni.
Wenn ich mit dem PhD fertig bin, kann ich mir gut vorstellen, wieder nach London zu gehen. In welchem Job ich dann arbeiten werde, ist aber noch offen.
Von Ellen Köhrer für Adlershof Journal