Ein Hamster aus Lima
Tierischer Band-Beistand von W.i.R.!
Er sieht ein wenig bedrohlich aus, der überdimensionale, mannshohe Hamster, der auf dem Schrank sitzt. Friedhof der Kuscheltiere. So gefährlich kann er nicht sein, Gregor Gysi hat sich erst kürzlich mit ihm ablichten lassen und die Berlinale hat ihn am roten Teppich geduldet. Er hat eine weite Reise zurückgelegt, denn er hat eine Mission: Extra aus Lima eingeflogen will er die Jungs von W.i.R.! ins Rampenlicht katapultieren.
W.i.R.! – das sind Tom Görlitz, Paul Hupfer und Oliver Maronn. „Scheiß auf die Kohle, leb’ den Rock’n’Roll“: So heißt eine Zeile aus ihrem Song „Kohle“. Doch irgendwie wünschen sich die drei Musiker, dass sich beides in Zukunft miteinander verbinden lässt – der Rock’n’Roll und die Kohle. Bis dahin wird fleißig geprobt in der Kunstkaserne Berlin, werden Konzerte gespielt wie zuletzt im Kreuzberger Edelweiß. Der Hamster ist moralischer Band-Beistand und immer dabei. Ein schweißtreibender Job für Steve Glause, der in dem Kostüm steckt. „Es ist brütend heiß darin, außerdem sieht man kaum etwas“, erklärt Steve.
Domizil in der Kunstkaserne Berlin
Im Februar haben sie am Hard Rock Band Battle des Berliner Hard Rock Cafés teilgenommen. Über Facebook-Voting wurden Bands nominiert, die dann dort ein Konzert geben sollten. Erst ganz kurz vorher haben sie davon erfahren. Wie also die notwendigen Stimmen sammeln? Im Internet haben sie das Hamsterkostüm gefunden – in Lima, Peru. Für 300 Dollar wird es erworben und ist seitdem Steves zweites Zuhause. Um Reklame für sich zu machen, ziehen sie mit dem Hamster durch die Potsdamer Platz Arkaden und an den roten Berlinale-Teppich. Das bringt die erforderlichen Stimmen. Sie werden nominiert. Es ist der erste Konzertauftritt in der jetzigen Formation.
Oliver und Tom kennen sich schon lange. Paul, der Schlagzeuger, ist vor Kurzem dazu gestoßen. Doch das fällt gar nicht mehr auf. Die Interviewsituation meistern sie wie alte Hasen. Geschichte um Geschichte sprudelt: vom Biker-Club in Strausberg, wo man lange geprobt hat, bevor die Band nach Adlershof umzog. Feuchter Keller und teure Technik, das funktionierte nicht. Die „Bestechungs“-Donuts für die StarFM-Radiomoderatoren vor dem Band-Battle, die Namensfindung. Der Bandname ist nicht nur eine Referenz an das WIR-Gefühl der Band, es ist die Abkürzung für „Waldmeister ist Retro“, eine nostalgisch-philosophische Reminiszenz an eine Fruchtbrause. Warum? Warum nicht! „Es hätte schlimmer kommen können“, sagt Paul, „Olivers Studentenidee war ‚Wissen ist Reichtum’.“
Und auch die Frage nach dem Musikstil wird professionell behandelt – keine Schubladen, bitte. Irgendwo zwischen den Foo Fighters und Madsen verorten sie sich selbst. Laute Musik mit deutschen Texten. Zwischen 40 und 50 Minuten stark ist ihr Repertoire inzwischen. Die Ideen kommen aus dem Leben, „ein Riff“, sagt Tom, Gitarrist und Sänger, „ist meist der Anfang. Dann wird gemeinsam gefeilt.“
„Hamster“ heißt einer ihrer ersten Songs. Er handelt vom Hamsterrad, in dem wir uns bewegen, der täglichen Mühle wiederkehrender Abläufe, von der Monotonie des Alltags, aus der es auszubrechen lohnt. Das eigene „Hamsterrad“ sehen sie aber trotzdem ganz entspannt. Tom arbeitet bei der DB-Netz AG, Paul bei einer Wohnungsgesellschaft, Oliver, der die Bassgitarre spielt, ist Student des Verkehrswesens. „Es ist schön, seine Rechnungen bezahlen zu können.“
Von der Musik leben können sie noch nicht. Die Berliner Szene ist nicht einfach. An jeder Ecke gibt es Bands. Die Leute, die Bands für Konzerte buchen, sind verwöhnt. Auch hier hilft wie in anderen Branchen Vitamin B. Sie wollen sich bewusst Zeit lassen. „Wenn wir mit 30 keinen Erfolg haben, dann machen wir Rockabilly“, scherzt Tom. Soweit wird es nicht kommen. Dafür hat der Hamster die weite Reise aus Lima sicher nicht gemacht.
Von Rico Bigelmann für Adlershof Journal