Ein Ort für Talente
Scheinbar Widersprüchliches sollen die Arbeitswelten im Adlershofer ST3AM unter einem Dach vereinen. Arbeitspsycholog:innen unterstützen das Gelingen mit einem Forschungsprojekt.
„Wir wissen aus der arbeitspsychologischen Forschung, dass der Arbeitsort und Umgebungsfaktoren des Raumes, wie Licht, Akustik und Farben, eine wichtige Rolle dabei spielen, wie gut, kreativ und effektiv wir arbeiten können und ob wir uns bei der Arbeit wohlfühlen und gesund bleiben“, erklärt Annekatrin Hoppe. Die Professorin für Arbeitspsychologie an der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) berichtet von Studien, die das Homeoffice und Büroarbeit vergleichen. Sie zeigen, dass Beschäftigte zu Hause konzentrierter arbeiten, während im Büro innovative Ideen vor allem über gemeinsame Kommunikation in Präsenz entstehen. „Unterschiedliche Aufgaben sind somit für bestimmte Settings besser oder schlechter geeignet“, erläutert Hoppe.
„Wir wissen auch, dass es zwei wichtige Bedürfnisse gibt bei Beschäftigten: das Bedürfnis nach Autonomie und nach Dazugehörigkeit.“ Wir entscheiden in der Regel gerne selbst, wann, wo und wie wir arbeiten, was mit mobil-flexibler Arbeit sehr gut bedient wird. Zugleich arbeiten die meisten Menschen gerne mit anderen zusammen und wünschen sich gute soziale Begegnungen.
Zusammenfassend ließe sich sagen: Es ist kompliziert. Scheinbar Widersprüchliches sollen die Arbeitswelten im Adlershofer ST3AM in der Rudower Chaussee 28 unter einem Dach vereinen. Das ist neu und experimentell. So sehr, dass ein Team um Hoppe das Projekt psychologisch begleiten und gegebenenfalls nachsteuern wird. Das ST3AM bietet Zonen, die auf unterschiedliche Bedürfnisse von Menschen eingehen sollen. Es bietet unter anderem Bereiche für konzentriertes Arbeiten, Orte der Begegnung, aber auch Rückzugsorte zur Erholung und eine Innenarchitektur, die gesundes und kreatives Arbeiten fördern soll.
Die neuen Arbeitswelten haben das Potenzial beide Bedürfnisse (Autonomie und Zugehörigkeit) zu bedienen, meint Hoppe. Denn für Beschäftigte bleibe weiterhin die Möglichkeit mobil-flexibel zu arbeiten. Die Räume wurden von der Innenarchitektin Urve Liivak so gestaltet, dass räumliche Faktoren wie Licht und naturnahe Farben zum Wohlfühlen beitragen. Pflanzen, verschiedene Sitzgruppen und spielerische Elemente wie Schaukeln rahmen die Gemeinschaftsflächen.
„Raumdesign kann kreatives und ertragreiches Arbeiten unterstützen“, sagt Katherina Quispe Bravo, Hoppes HU-Kollegin und Expertin für psychologische Sicherheit. Gut seien Umgebungen, die zum angstfreien Testen, Erproben, Experimentieren animierten. Etwa ein Umfeld, das eine Art Laborsituation verströme, was durch ein verspieltes Design unterstützt werden könne. „Wer sich in seinem Umfeld psychologisch sicher fühlt, trägt mehr zu Diskussionen bei, lernt mehr und wagt Neues“, betont Quispe Bravo. Das gelinge eher weniger im Homeoffice: „Die Forschung zeigt, dass Teams in Präsenz erfolgreicher arbeiten. Daher ist es wichtig, attraktive Räume zu schaffen, in denen die Menschen gern zusammenkommen.“
Genau dieser Ort soll ST3AM sein. „Wir werden uns aus arbeitspsychologischer Sicht das Zusammenspiel von räumlichen Faktoren, sozialen Prozessen und individuellen Präferenzen bei der Arbeit anschauen, um zu erforschen was Beschäftigte gesund hält, sie motiviert und ihre Kreativität stimuliert“, erklärt Hoppe, „Dabei haben wir die Möglichkeit, gemeinsam mit der Innenarchitektin Umgebungsfaktoren zu ändern.“
Die Arbeitspsycholog:innen können von Anfang an Beschäftigte im ST3AM begleiten und untersuchen, wo sie arbeiten und was sie motiviert. Hoppe: „Das Besondere hierbei ist, dass wir einen realen Arbeitsort betrachten, den wir – und das ist einmalig – verändern können und zu dem wir Zugang haben, so dass wir mit verschiedenen Gruppen das Erleben beim Arbeiten im Feld erforschen können.“
Wie wichtig werden künftig solche Orte für Talente und modernes Arbeiten wie in Adlershof sein? „Ich denke, dass wir nach dem zurückgezogenen Arbeiten zu Pandemiezeiten dringend Arbeitsorte brauchen, die soziale Interaktionen fördern und in denen sich Beschäftige wohlfühlen, Orte, die etwas von der Behaglichkeit bieten, die wir oft zu Hause finden“, antwortet Hoppe. „Ich glaube auch, dass wir aus unserer Komfortzone wieder herauskommen müssen, um zu erkennen, dass wir nicht nur das Bedürfnis nach Autonomie haben, das wir im Homeoffice finden, sondern auch das Miteinander brauchen, damit Arbeit Spaß macht, uns Sinn gibt und wir neue Ideen entwickeln.“
Chris Löwer für POTENZIAL
- WISTA-Arbeitswelten - WISTA Management GmbH
- Prof. Dr. Annekatrin Hoppe — Institut für Psychologie (hu-berlin.de)
- Katherina Bravo | HRpepper Management Consultants