Eine Wissenschaft für sich: Die Hassliebe zwischen Journalisten und Öffentlichkeitsarbeitern
Wozu braucht man eigentlich Öffentlichkeitsarbeit, auch Public Relations“ (PR) genannt? Gute PR ist schwierig. Sie unterstützt Journalisten bei der Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen.
Die allmorgendliche Erfahrung des Journalisten ist die eines überquellenden E-Mail-Postfachs. Die Welt erscheint da wie von einem ungebändigten Mitteilungsbedürfnis erfasst. Ausdruck dessen ist eine Flut, gegen die kein Computerprogramm hilft. Das Interesse an Neuigkeiten geht im wachsenden Ärger über den allgegenwärtigen Infomüll unter.
Höchststrafe: Informationsignoranz
Noch ist informationelle Belästigung nicht strafbar. Jedenfalls nicht durch Recht und Gesetz. Wer andere Menschen mit Infomüll zuschüttet, bekommt es nicht mit der Justiz zu tun. Ihn trifft dafür eine andere, vielleicht nicht minder schwere Strafe: Er wird ignoriert. „Ich will es gar nicht wissen“, lautet das Motto einer immer wichtiger werdenden Abwehrhaltung. In der Informationsgesellschaft kommt das einer Höchststrafe gleich. Und genau das passiert den Absendern unzähliger Pressemitteilungen, denn die Aufnahmebereitschaft von Lesern, Zuhörern und Zuschauern ist begrenzt. Und sie sinkt offenbar noch weiter.
Der Job des Journalisten lässt sich daher so beschreiben: Er muss das kostbare Gut der begrenzten Aufnahmebereitschaft des Lesers schonen, muss es sparsam und intelligent nutzen. Spätestens hier scheiden sich die Geister zwischen denjenigen, die sich oder ihre Chefs und Auftraggeber gerne in der Zeitung oder auf dem Bildschirm sehen, und den Journalisten, deren Aufgabe Auswahl, Gewichtung und Formulierung ist. Das Material liegt auf der Straße oder hängt im Internet. Das Problem ist, das wirklich Interessante zu finden – die buchstäbliche Stecknadel im Heuhaufen.
Pressemitteilungen verschicken genügt nicht
Öffentlichkeitsarbeit hat den Zweck, den Journalisten zu helfen, auch wenn sie dabei eigene Interessen verfolgt. Nur: Gute PR ist schwierig. Mit dem Verschicken von Mitteilungen an die Presse ist es nicht getan – eine Erfahrung, die auch die WISTA-MANAGEMENT GMBH in Adlershof machen musste. Die vielen Pressemitteilungen, die man in den Anfangsjahren verschickt hatte, stießen auf wenig Resonanz, erzählt Peter Strunk, WISTA-Kommunikationschef heute. Spötter wissen längst, dass Pressemitteilungen nicht für die Presse gemacht werden, sondern für den eigenen Chef. Heute, sagt Strunk, mache man es darum vollkommen anders.
Ziel: positives Grundrauschen im öffentlichen Raum
Die Idee, mit Neuigkeiten aus Forschung oder Unternehmenswelt unmittelbar am nächsten Tag in der Zeitung zu stehen, ist in der Tat illusorisch. Allenfalls kommt eine kleine Meldung dabei heraus. Aber die nützt wenig und wird zudem schnell peinlich: „Ich will doch meine eigene Pressemitteilung nicht wörtlich am nächsten Tag in der Zeitung lesen“, sagt Strunk. Erfolgreiche PR zeigt sich für ihn darin, wenn Zeitungen, Zeitschriften oder das Fernsehen aus eigener Initiative etwas über Adlershof berichten: Große, längere Geschichten, die Adlershof als Erfolgsfall darstellen – ohne dabei Werbung für irgendetwas zu betreiben. Heute sei sein Ziel, ein „positives Grundrauschen im öffentlichen Raum “ zu erzeugen.
Journalisten sind keine Werbebotschafter
Anders geht es auch nicht. Journalisten wollen sich schlicht nicht als Werbebotschafter missbrauchen lassen. Aber wenn ein Unternehmen oder ein Wissenschaftler „für etwas stehen kann“, sind sie höchst dankbar für Anregungen und Recherchehilfen. Da greift der Journalist gern zu – wenn er Vertrauen hat. Und das entsteht nur durch lange, mühsame Beziehungspflege. Etwa auf Veranstaltungen, die nicht unmittelbar der Werbung dienen, wie solchen zum deutschen Wissenschaftlerexodus in die Sowjetunion, Diskussionen über ostdeutsches Bürgertum oder einem Streitgespräch zwischen Theologen und Naturwissenschaftlern über die Schöpfungsgeschichte. Auch das spricht dann für Adlershof – besser als jede Werbung.
von Hubert Beyerle