So einfach wie das Zählen bis zehn – neue Regel für das Design von Katalysatoren
Forscher:innen entschlüsseln Funktionsweise extrem effizienter Katalysatoren und entwickeln Zehn-Elektronen-Regel
Ein Team von Wissenschaftler:innen von drei britischen Universitäten und der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) hat gemeinsam eine sehr einfache Regel für das Design von Einzelatom-Legierungen als Katalysatoren für chemische Reaktionen entdeckt. Diese Zehn-Elektronen-Regel hilft Forscher:innen dabei, sehr schnell vielversprechende Katalysatoren für ihre Experimente zu identifizieren. Um die passende Zusammensetzung für Katalysatoren zu finden, sind keine umfangreichen Trial-and-Error-Versuche und rechenintensive Computersimulationen mehr notwendig – es reicht ein Blick auf das Periodensystem.
Einzelatom-Legierungen sind eine Klasse von Katalysatoren, die aus zwei Metallen bestehen: dafür werden einige wenige Atome eines reaktiven Metalls, Dotierstoff genannt, einem wenig reaktionsfreudigem Metall (Kupfer, Silber oder Gold) zugesetzt. Diese neue Technologie ist äußerst effizient, wenn es darum geht, chemische Reaktionen zu beschleunigen. Bislang ließ sich anhand der bestehenden wissenschaftlichen Modelle aber nicht erklären, wie diese Katalysatoren funktionieren.
Forscher:innen entschlüsseln Funktionsweise der extrem effizienten Katalysatoren
Die Forschungsergebnisse hat das Team von Wissenschaftler:innen der University of Cambridge, dem University College London, der University of Oxford und der Humboldt-Universität zu Berlin in der Fachzeitschrift Nature Chemistry veröffentlicht. Die Gesetzmäßigkeiten, die der Funktionsweise der Katalysatoren aus Einzelatom-Legierungen zugrunde liegen, haben die Forschenden mithilfe von Computersimulationen entschlüsselt.
Die Zehn-Elektronen-Regel beschreibt einen einfachen Zusammenhang: Chemikalien binden am stärksten an Einzelatom-Legierungskatalysatoren, wenn das bindende reaktive Metallatom von zehn Elektronen umgeben ist. Dies bedeutet, dass Wissenschaftler*innen, die Experimente planen, nun einfach auf die Gruppennummer im Periodensystem der Elemente zurückgreifen können, um herauszufinden, welche Katalysatoren die gewünschten Eigenschaften für ihre Reaktionen mitbringen.
Statt Trial-and-Error: Gezielte Suche nach optimalen Katalysatoren
Dr. Romain Réocreux, Postdoktorand in der Gruppe von Prof. Angelos Michaelides, der diese Forschung an der University of Cambridge leitete, sagt: „Für eine schwierige chemische Reaktion braucht man einen Katalysator mit optimalen Eigenschaften. Ein stark bindender Katalysator kann einerseits die Reaktion vergiften und somit stoppen, andererseits kann es sein, dass ein schwach bindender Katalysator einfach gar nichts bewirkt. Jetzt können wir den optimalen Katalysator ermitteln“, so Romain Réocreux weiter, „indem wir einfach eine Spalte im Periodensystem betrachten. Das ist sehr wirkungsvoll, denn die Regel ist einfach und kann dadurch die Entdeckung neuer Katalysatoren für schwierige chemische Reaktionen beschleunigen.“
Prof. Michail Stamatakis, Professor für Anorganische Computerchemie an der Oxford University, der an der Forschung mitgewirkt hat, sagt: „Nach einem Jahrzehnt intensiver Forschung an Einzelatom-Legierungen verfügen wir jetzt über einen eleganten, einfachen, aber leistungsstarken theoretischen Rahmen, der den Verlauf der Bindungsenergie von einem Material zum nächsten erklärt und uns ermöglicht, Vorhersagen über die katalytische Aktivität zu treffen.“
Auf der Grundlage dieser Regel schlug das Team einen vielversprechenden Katalysator für eine elektrochemische Version des Haber-Bosch-Verfahrens vor, einer Schlüsselreaktion für die Synthese von Düngemitteln, für die seit ihrer Entdeckung im Jahr 1909 derselbe Katalysator verwendet wird.
Neue Katalysatoren für mehr Energieeffizienz
Dr. Julia Schumann, die das Forschungsprojekt gemeinsam mit Romain Réocreux an der University of Cambridge gestartet hat und seit 2023 am Institut für Physik an der Humboldt-Universität forscht, erklärt: „Viele Katalysatoren, die heute in der chemischen Industrie verwendet werden, wurden im Labor durch Trial-and-Error-Methoden entdeckt. Mit einem besseren Verständnis der Materialeigenschaften können wir nun neue Katalysatoren designen, die bei industriellen Fertigungsprozessen für mehr Energieeffizienz und reduzierte CO2-Emissionen sorgen.“
Kontakt
Dr. Julia Schumann
Institut für Physik / Consortium FAIRmat
Humboldt-Universität zu Berlin
schumann@physik.hu-berlin.de
Pressemitteilung der Humboldt-Universität zu Berlin vom 14.02.2024