Engagierte Verfechterin von Chancengleichheit
Mara Oßwald, Physikerin und Mitorganisatorin der Konferenz „I, Scientist“, im Gespräch
Begeisterte Physikerin, Schwarzgürtel-Kampfsportlerin und Trainerin, engagierte Verfechterin von Chancengleichheit und demnächst auch Mutter – Mara Oßwald zählt zweifellos zu den Powerfrauen. Ihr Tag scheint mehr als 24 Stunden zu haben. Was die 28-jährige Doktorandin am Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie, die zur DNA-Reparatur nach UV-Schädigung forscht, in ihrer Freizeit momentan besonders umtreibt, ist die Konferenz „I, Scientist“ am 25. und 26. Mai in Adlershof. Dort geht es um Gender, Karrierewege und Netzwerken in Naturwissenschaft und Mathematik. Warum es in Zeiten von Frauenquote und unzähligen Frauenförderprogrammen wichtiger denn je ist, Hindernisse und Vorurteile bezüglich Frauen und Gleichstellung abzubauen, erzählt sie im Interview.
Was bedeutet Karriere für Sie?
Ziele zu erreichen, die ich mir selbst gesteckt habe, dabei meine Potenziale auszunutzen und sowohl finanzielle als auch persönliche Zufriedenheit zu erlangen.
Gender bestimmt die öffentliche Diskussion. Braucht es eine weitere Konferenz dafür?
Unsere Generation hat das Gefühl, die Geschlechtergleichstellung ist erreicht. Es gibt viele Frauenförderprogramme. Die sind wichtig, aber die Kommunikation dazu stimmt nicht. Das Bild darf nicht sein: Wir müssen Frauen fördern. Es muss stattdessen heißen: Es soll gleiche Chancen für alle geben.
Das heißt, die Konferenz „I, Scientist“ ist offen für alle?
Ja, denn Gleichstellung ist ein gesellschaftliches Problem, kein Frauenproblem.
Warum entscheidet sich ein Großteil der Wissenschaftlerinnen trotz hervorragender Ausbildung für die Familie statt für eine Karriere?
Es gibt leider noch viele strukturelle und soziale Hindernisse, die eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie erschweren. Außerdem erlebe ich, dass wir Frauen uns oft selbst blockieren. Karriere ist nicht tief verankert in unseren Köpfen. Es fehlt an weiblichen Rollenvorbildern, um junge Menschen zu inspirieren. Das wollen wir mit der Konferenz ändern.
Wer ist „wir“?
Jetzt sind das zehn Nachwuchswissenschaftlerinnen verschiedener Institute und Universitäten. Zu sechst haben wir die Lise-Meitner-Gesellschaft e. V. als Trägerverein gegründet. „I, Scientist 2018“ ist unsere zweite Konferenz. Neben Workshops, einem Women-in-Science-Slam, Plenarvorträgen und einer Podiumsdiskussion gibt es auch ein Karriere-Speed-Dating sowie eine Karriere-Messe, für die sich noch Unternehmen und Institute anmelden können.
Sind Physikerinnen Exoten?
Fakt ist, dass es bedeutend weniger Frauen als Männer in der Physik gibt. Der Anteil der Physikstudentinnen, die im Jahr 2009 an der Humboldt-Universität zu Berlin begonnen haben, lag bei etwa zehn Prozent. Beim Bachelorabschluss allerdings lag das Verhältnis bei etwa 20 Prozent. Das Frauennachwuchsproblem z. B. in der Physik muss also viel früher angegangen werden. Besonders in der Biologie sehen die Zahlen allerdings ganz anders aus. Die Leaky-Pipeline, der sinkende Frauenanteil, ist dort sehr deutlich.
Was wollten Sie als Kind werden?
Ich war nie ein Puppenkind. Schon als Dreijährige habe ich lieber im Dreck gespielt und Dinge gebaut. Ich wollte früh wissen, wie die Welt um mich herum funktioniert, habe aber erst im Abitur gemerkt, dass überall Physik drinsteckt. Meine damalige Physiklehrerin hatte da entscheidenden Anteil, sonst hätte ich wohl Kunst oder Psychologie studiert.
Was machen Sie in Ihrer Freizeit?
Ich trainiere seit meinem achten Lebensjahr Jiu-Jitsu, habe den schwarzen Gürtel und unterrichte Klein und Groß. Mein zweites Steckenpferd ist die Kunst. Ich zeichne und male sehr gern. Leider hole ich die Malsachen oft nur noch raus, wenn ich Geburtstagsgeschenke anfertige.
Wann haben Sie zuletzt etwas Neues gemacht?
Da sich Nachwuchs ankündigt, beschäftige ich mich mit dem Mutterwerden. Jetzt haben mein Freund und ich als erstes Babyaccessoire einen Wickelaufsatz gekauft, und schon merkt man, wie die Wohnung sich verändert.
Wie lange gehen Sie in Elternzeit?
Nach dem Mutterschutz fünf Monate. Danach übernimmt mein Freund für sechs Monate.
Was wird dann mit Ihrem Ehrenamt in der Lise-Meitner-Gesellschaft?
Ich habe nicht vor zu pausieren. Ich übernehme dann klar definierte Aufgaben, bei denen ich zeitlich flexibel agieren kann. Und das Baby kommt mit zur Konferenz.
Was wollen Sie nach der Promotion machen?
Ich bin in der Selbstfindungsphase. Eine professorale Karriere strebe ich nicht an, der Industrie gegenüber bin ich offen. Forschung mit Anwendungsbezug interessiert mich. Überlegungen, in Richtung Management oder Coaching zu gehen, gibt es auch.
Das Interview führte Sylvia Nitschke für Adlershof Journal