Exzellent verwaltet – exzellent veraltet – exzellent neugestaltet!
Essay von Jakob Nolte, Biologiestudent und aktueller Bundessieger des Wettbewerbs „Jugend forscht“
Wissenschaft schafft im Wortsinn Wissen. Ausbildung soll Raum zur Bildung von Interessen und Fähigkeiten geben. Doch bei genauer Betrachtung von Wörtern mit Bezug zum Bildungsbereich fällt auf, dass es nicht allein darum gehen kann. Die deutsche Sprache stellt die Ebenen des menschlichen Erkenntnisprozesses erstaunlich genau in Chronologie:
Durchschauen (Augen) – Begreifen (Hände) – Verstehen (Beine) – Umsetzen (ganzer Körper).
Der sprachliche Appell scheint uns zu verdeutlichen, wie wichtig es ist, nicht nur Wissen zu schaffen, sondern auch einen Bezug zum Beobachtbaren herzustellen, indem angefasst wird und Körper und Geist ganzheitlich zum Einsatz kommen dürfen: Erkenntnisse nicht nur sprachlich mit zunehmender Vertiefung von Ebene zu Ebene sacken – sich verschiedenste Ebenen auch real offenbaren.
Ob es in Zeiten massiver Überforderung geistiger Kapazitäten nicht ohnehin so ist, dass das bisherige Vermittlungskonzept der genannten Fertigkeiten zum Scheitern verurteilt ist, bleibt fraglich. Ein Konzept, das im Kern darauf hinaus will, den menschlichen Geist als füllbares Gefäß zu begreifen und mit zunehmender Anfüllung darauf zu bauen, dass das Individuum handlungsfähiger wird.
Zumindest bleiben Freude und Neugier auf der Strecke, wenn zuständige Einrichtungen Menschen nicht in ihrem Wesen einbeziehen. Anfangs sitzen junge Menschen noch gespannt oder häufig eher vom Abitur schon völlig ausgelaugt vor den Dozierenden. Und schon geht es los mit der Gefäßfüllerei, die nicht das Bedürfnis hat, die Anwesenden näher zu verstehen und Dynamik menschlichen Lernens zuzulassen.
Nicht der Anstoß von unten, sondern die sogenannte Erziehung (Ziehen in eine vorgegebene Richtung) bestimmen immer noch den Alltag. Dient der heutige Durchschnitt der Bildungsangebote und -zwänge überhaupt dem Menschen? Oder entspringt er einer Systematik starrer, immer gleicher und geistig entleerender Mechanismen, die sich mit den Matrikelnummern, die diese durchlaufen, ständig wiederholen? Nein! Der menschliche Geist ist nicht füllbar! Er ist vielmehr ein loderndes Feuer, das entzündet werden will und in dessen Umgebung ein Bildungssystem nur für ausreichend brennbare Substanz zu sorgen hätte.
Ohne Potenzialentfaltung und Eigenverantwortung wird es darum auf Dauer keine Exzellenz in der Forschung geben. Dann eifert Wissenschaft nur wirtschaftlich-gesellschaftlichen Zugzwängen hinterher, ohne Identität zu entwickeln. Gleichzeitig werden wir wissenschaftlicher Bedürftigkeit erst gerecht, wenn geistige Entwicklung und Antworten auf dringende (Über-)Lebensfragen nicht nur einem kleinen Teil der Bevölkerung zugänglich werden. Und wenn alle Menschen im Stande sind, auf ihre ganz persönliche Art Fülle, Sinn und reflektierte Erkenntnis im eigenen Leben zu finden.
Ein neues Wertegerüst ist unabdingbar, um die ökologische Krise in ihren vielgestaltigen Facetten zu bewältigen. Hierbei muss Wissenschaft ihre mehrdimensionale Rolle begreifen und neu justieren, denn Entwicklung löst nicht nur Probleme, sondern verursacht auch neue. Nur eine haltungsfähige Gesellschaft kann eine Antwort darauf geben, welche Richtung einzuschlagen ist.
Exzellenz meint, zu schauen, was ist, unverblendet und auf der Suche nach der Wahrheit – interessenunabhängig und kreativ, die Eigenart und das Umfeld menschlicher Charaktere miteinbeziehend. Exzellenz meint persönlich geistige Betroffenheit und den Willen zum Wandel durch Erkenntnis. Exzellenz meint, nicht der Karriere wegen, sondern des Themas wegen zu studieren und zu forschen. Exzellenz meint, einen Unterschied zu machen, und wächst nicht allein mit den Mitteln, sondern mit denen, die diese einander fördernd erschaffen.
Wenn Exzellenz dies alles meint und verwirklicht, können wir die negativen Prognosen für das Leben auf diesem Planeten entscheidend umkehren. Darauf sollten wir uns konzentrieren, damit wir als Gesellschaften die Kraft zur Einleitung der Wandlungsprozesse haben, die es braucht, um unser Leben nicht nur zu erhalten, sondern auch mitmenschlich wie ökologisch zu vitalisieren.
Exzellenz schaffen wir alle zusammen!
Jakob Nolte ist Biologiestudent und aktueller Bundessieger des Wettbewerbs „Jugend forscht“ sowie Preisträger der originellsten Arbeit. Er befasst sich seit seiner Kindheit mit Pflanzen und arbeitet zu Themen des botanischen Artensterbens in der Landschaft. Zudem setzt er angelehnt an seine Forschungstätigkeit gemeinsam mit Institutionen und Unternehmen Projekte zum Schutz der Biodiversität um.