Fahnden, finden, fördern
Auf Talentsuche im Technologiepark Adlershof
Talente finden, fördern und binden ist die zentrale Herausforderung in unserer Wissensgesellschaft. Wissenschaft und Wirtschaft müssen an einem Strang ziehen, damit gute Ideen nicht in Laboren versauern. Wie das klappt, lässt sich gut am Standort Adlershof studieren.
Es ist ein Zukunftsthema, zu dem junge Zukunftsmacher leidenschaftlich ihre Lösungen vorstellen. Im „Forum Junge Spitzenforscher“ präsentieren sechs Wissenschaftler ihre Forschungsarbeiten rund um das Internet der Dinge. Es locken insgesamt 36.000 Euro Preisgelder für die besten Ideen mit den größten Chancen auf eine kommerzielle Anwendung. Mit dem jährlich stattfindenden Wettbewerb, den die Stiftung Industrieforschung in Kooperation mit der Humboldt-Innovation GmbH (HI) organisiert, sollen „junge Talente gefördert und andere angeregt werden, ihre Ideen am Markt zu verwerten“, erklärt HI-Geschäftsführer Volker Hofmann, der Wissens- und Technologietransfergesellschaft der Humboldt-Universität, die sich darum kümmert, wie aus Wissenschaftlern Unternehmer werden können.
Eines jener begehrten jungen Talente ist Marius Kloft, Juniorprofessor für Maschinelles Lernen an der Humboldt-Universität zu Berlin. Der Mathematiker und Informatiker hat zusammen mit seinem Team eine Lösung zur automatischen Heizungssteuerung entwickelt, bei der aus unterschiedlichen Informationsquellen wie den GPS-Daten des Smartphones, dem Wetterbericht, Urlaubs- und Jahreszeiten berechnet wird, wann die Heizung hoch- oder runtergeregelt wird. Das System soll künftig sogar aus Bewegungsmustern selbst lernen und vorhersagen können, wann ein Bewohner heimkehrt und wie er seine Räume klimatisiert haben möchte. Kloft hat mit dieser Idee beim „Forum Junge Spitzenforscher“ überzeugt und wurde mit 2.000 Euro Preisgeld belohnt.
Er gilt zweifelsohne als herausragendes junges Talent: Mit 33 Jahren wurde er zum Juniorprofessor ernannt, leitet in Adlershof eine Forschungsgruppe und wurde in der Vergangenheit mehrfach für brillante Veröffentlichungen ausgezeichnet, unter anderem von Google Research. Seine Forschungsschwerpunkte sind kernbasiertes maschinelles Lernen, Klassifikationsverfahren und statistische Genetik – ein breites Spektrum. Im Grunde geht es dabei immer darum, aus immensen und heterogenen Datenmengen Schlüsse zu ziehen, die in vielen Lebensbereichen praxisrelevant sind.
Damit solche Entwicklungen nicht in Unis und Instituten hängen bleiben, schickt die HI zwei sogenannte Talentscouts los, die in Forschungsgruppen nach marktrelevanten Ideen fahnden und Studenten, Absolventen sowie Professoren zum Brückenschlag zwischen Wissenschaft und Wirtschaft ermutigen. Nicht nur das: Das Team der HI unterstützt dabei mit Beratung, Coaching und Kontaktanbahnung. So wurden innerhalb der letzten zehn Jahre mehr als 60 Gründungen angestoßen, 19 Millionen Euro Projektmittel akquiriert und gut 550 Arbeitsplätze geschaffen. „Das tut einem Standort wie Berlin gut, denn die jungen Talente sind ein wesentliches Element für die Innovationskraft einer Stadt“, bemerkt Hofmann. Als wahren Talentpool sieht er Adlershof mit „enormem universitärem und außeruniversitärem Potenzial“.
Davon profitiert unter anderem die Osypka Medical GmbH. Das Adlershofer Unternehmen entwickelt und fertigt elektronische Geräte für die Kardiologie und Herzchirurgie, unter anderem temporäre Herzschrittmacher sowie nichtinvasive Herz-Kreislauf-Monitore. „Der Standort ist für die Talentsuche ideal, da wir durch die Universität direkten Zugriff auf Nachwuchs haben“, berichtet Thilo Thümecke, Director Operations bei Osypka. Mitunter genügt ein Aushang am Schwarzen Brett in der Adlershofer Wissenschaftsstadt, zuweilen klopfen auch hervorragende Leute von sich aus an und werden eingestellt, obwohl gerade gar keine Stellenausschreibung läuft. Um die Talente zu halten, bedarf es keiner großen Anstrengungen: „Spannende Aufgaben, eine mit 35 Mitarbeitern überschaubare Firma, bei der man schnell Verantwortung übernehmen kann und nicht nur kleine Teilaufgaben, wie in einem Konzern, übernimmt, führen dazu, dass wir kaum Fluktuation haben“, sagt Thümecke. Er darf als gutes Beispiel gelten: Seit Ende 1996 arbeitet er bei Osypka und kann sich nichts anderes vorstellen. Was auch zählt, sind flexible Arbeitszeiten. Möglich ist sogar fast vollständige Heimarbeit, beispielsweise Softwareingenieure können das nutzen. Das reizt junge Spitzenkräfte natürlich schon.
Talente finden und fördern ist in Adlershof alles andere als ein Fremdwort. Auch wenn es gut läuft, könnten sich Wissenschaft und Wirtschaft noch beherzter engagieren, wünscht sich Hofmann: „Da ist noch Luft nach oben. Mehr geht immer. Schließlich leben wir in einer Wissensgesellschaft.“
Von Chris Löwer für Adlershof Journal
www.humboldt-innovation.de
www2.informatik.hu-berlin.de/~kloftmar/
www.osypkamed.com