Faire Rohstoffe
Tungsten Consulting entwickelt Verfahren für umweltschonende chemische Aufbereitung von Rohstoffen – beispielsweise für Graphit, das in großen Mengen in Batterien verbaut wird
Speicherbatterien sind gefragt: für Autos und Zweiräder – Stichwort Elektromobilität – ebenso für mobile Elektronikgeräte. Die Vorteile für Klimaschutz und Gesundheit werden offensiv beworben, über den Rohstoffbedarf und damit verbundene Belastungen wird weniger gern gesprochen. „In der Herstellung gibt es etliche Schritte, die noch verbessert werden können, um tatsächlich ein nachhaltiges Produkt zu erhalten“, sagt Till Wolfram, Gründer der Firma Tungsten Consulting, die im Sommer 2018 ins Zentrum für Photovoltaik und Erneuerbare Energien gezogen ist.
Hier oben im zweiten Stock sind Büro- und Laborräume, in denen der promovierte Chemiker gemeinsam mit zwei Angestellten Forschung und Entwicklung sowie Beratung für neue Geschäftskonzepte anbietet. Zum Beispiel für Graphit: reiner Kohlenstoff, der in Bleistiftminen verwendet wird. „Graphit wird auch für Anoden von Lithium-Ionen-Batterien benötigt, der Markt hierfür wächst weiter rasant“, sagt Wolfram. Den größten Teil liefert China, gefolgt von Brasilien, Kanada und Indien. Doch es gibt etliche Bergbauunternehmen, die in der weiterhin steigenden Nachfrage ein Geschäftsfeld sehen. So hat sich eine Firma an Wolfram gewandt, die eine Lagerstätte in Australien abbauen möchte. Neben den geologischen Voraussetzungen muss auch geklärt werden, mit welchem Aufwand das erwünschte Rein-Graphit mit weniger als 0,05 Prozent Verunreinigungen auf den Markt gebracht werden kann.
„Standardmäßig wird Flusssäure verwendet, um Verunreinigungen wie Quarz zu lösen. Doch Flusssäure ist hochgiftig und bei falscher Anwendung ein starkes Umweltgift“, sagt Wolfram. Der Wissenschaftler hat ein alternatives Verfahren, den Aufschluss mittels Natriumhydroxid und anschließende Prozessschritte, so weit entwickelt, dass es für die Rohstoffe der australischen Lagerstätte eine möglichst effektive Ausbeute ermöglicht. „So lässt sich der Einsatz von Flusssäure umgehen und eine ressourcenschonende Produktion gewährleisten.“ Nachdem die Herkunftsfrage lange Zeit vorrangig für landwirtschaftliche Produkte gestellt wurde, würden sich Konsumenten zunehmend auch bei anderen Waren dafür interessieren, wie sie hergestellt wurden und welche Folgen das für die Umwelt und die Menschen in den jeweiligen Ländern hat, meint Wolfram. „Dieses Verantwortungsbewusstsein nimmt zu und spielt eine Rolle für die Hersteller, aber die Mehrkosten dürfen allenfalls moderat sein“, sagt er.
Dazu will er seinen Beitrag leisten und hat für gemeinsame Projekte vor allem kleine und mittelständische Unternehmen im Blick. Neben Graphit gehe es um weitere Minerale und deren Aufbereitung, zum Beispiel Wolframerze, wie der 38-Jährige mit einem Augenzwinkern erzählt. Klar, sein Nachname ist der gleiche wie der des glänzenden Schwermetalls und führt in der englischen Übersetzung – Tungsten – zum Firmenname. Gegründet hat er das Unternehmen 2018, nach dem Chemiestudium an der Freien Universität und Promotion am Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft im Westen der Stadt.
Die guten Arbeitsbedingungen lockten ihn nach Adlershof. „Hier konnte ich ein Labor nutzen, das mit grundlegenden Laboreinrichtungen, etwa einem Abzug und Laborarbeitstischen, ausgestattet war.“ Gerade für Gründer, die viel investieren müssen, eine echte Chance. „Zudem hatte ich die Möglichkeit zu wachsen, musste nicht gleich große Flächen mieten“, sagt Wolfram. Inzwischen hat Tungsten Consulting dann doch weitere Räume angemietet, im Zentrum für Photovoltaik und Erneuerbare Energien sowie im Zentrum für Biotechnologie und Umwelt II. Das Konzept ging auf, es kamen weitere Aufträge, von Mineralaufbereitung über Optimierung von Brennstoffzellen bis zu Projekten zum Recycling von Elektroschrott. „Da Rohstoffe für unsere Gesellschaft und die Herausforderungen der Zukunft notwendig sind“, sagt Wolfram, „sollten wir sie möglichst effizient einsetzen und dazu gehört natürlich ein umfassendes Recycling.“
Von Ralf Nestler für Adlershof Journal