Frauen – ihr könnt das
Kinder und Karriere sind vereinbar
Unter den fast 15.000 Mitarbeitern der Technologiestadt Adlershof sind Frauen immer noch in der Minderheit, besonders in Führungspositionen. Mehrere Initiativen helfen Studierenden, Wissenschaftlerinnen und Unternehmerinnen, sich besser zu vernetzen.
In Márta Gutsches kleinem Büro im ersten Stock des Informatik-Gebäudes an der Rudower Chaussee steht eine bunte Spielzeugtasche. „Da können sich die Kleinen beschäftigen, wenn die Mutter sich bei uns informieren möchte", sagt die gelernte Sozialwissenschaftlerin, die in dem seit 2007 im Rahmen des Berliner Chancengleichheitsprogramms geförderten Projekt FiNCA die Fäden zusammenhält.
FiNCA steht in diesem Fall nicht für einen gemütlichen Bungalow auf Mallorca, sondern für „Frauen in den Naturwissenschaften am Campus Adlershof“. Genau diese möchte Gutsche mit ihrem kleinen Team fördern. In der Informatik der Humboldt-Universität (HU) zu Berlin zum Beispiel lag der Frauenanteil unter den mehr als 1.200 Studierenden im vergangenen Jahr bei nur 15 Prozent. Von den 132 Professoren der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultäten sind trotz eines Anstiegs in den letzten Jahren derzeit erst 18 Prozent weiblich – Adlershof spiegelt hier die bundesweite Realität.
Mehr Frauen für eine Karriere in den traditionellen Männerdomänen Mathematik und Naturwissenschaften zu interessieren, ist gar nicht so einfach, wie Gutsche weiß. „Die Problematik beginnt schon in der Schule; es braucht auch Lehrer, die den Mädchen sagen, ‚du kannst das‘.“ Die FiNCA-Mitarbeiterinnen sind an mehreren Fronten aktiv: Sie arbeiten mit Schulen in den Nachbarbezirken Köpenick und Treptow, veranstalten Ferienkurse und Arbeitsgemeinschaften für Schülerinnen – etwa zum Programmieren von Robotern.
Auch für Studentinnen steht die Tür von FiNCA immer offen: Für das zehnmonatige Graduierten-Programm können sich alljährlich 15 Nachwuchswissenschaftlerinnen qualifizieren. Derzeit läuft erstmals die Bewerbungsfrist für ein Postdoc-Programm aus Workshops, Gruppen- und Einzeltrainings, in das zehn promovierte junge Frauen aufgenommen werden. In Kursen, etwa zu Studienorganisation oder Rhetorik, „wollen wir die Frauen auch ermuntern, sich miteinander zu treffen, und ihnen zeigen, dass es sich mitunter gemeinsam besser lernt“, sagt Gutsche.
Dass in puncto Netzwerken die jungen Frauen den Männern oft unterlegen sind, hat auch Beate Meffert festgestellt. Die Expertin für Signalverarbeitung ist eine von vier Informatik-Professorinnen in Adlershof. „Die Studierenden denken oft, weil sie ein gutes Abi gemacht haben, brauchen sie keine Unterstützung. Sie merken dann aber irgendwann auf ihrem Karriereweg, dass sie Männernetzwerken begegnen.“
Ein Frauen-Netzwerk hat Meffert mitgegründet: Das „Ladies' Network Adlershof“ (LaNA) ist eine gemeinsame Initiative von HU, Initiativgemeinschaft Außeruniversitärer Forschungseinrichtungen in Adlershof e. V. (IGAFA) und WISTA-MANAGEMENT GMBH. Es richtet sich an Frauen, die sich beruflich schon erste Sporen verdient oder sogar schon Führungserfahrungen gesammelt haben. 250 Wissenschaftlerinnen und Unternehmerinnen stehen im LaNA-Verteiler, die meisten davon arbeiten in Adlershof.
Ein Kernstück der weiblichen Netzwerkerei ist der sogenannte Ladies Lunch, zu dem seit 2008 regelmäßig erfolgreiche Rednerinnen eingeladen werden. Ob Gesine Schwan über die „partnerschaftliche Familie“ oder die Berliner Kammergerichtspräsidentin Monika Nöhre über „Frauen in Robe“ spricht, das Interesse ist groß: „Wir haben regelmäßig bis zu 30 Teilnehmerinnen“, sagt Nora Schweiger, die bei der Adlershofer IGAFA die Frauenrunden organisiert.
In den lebhaften Diskussionen der mittäglichen Frauenrunden gehe es immer wieder auch darum, „ob Frauen überhaupt in die erste Reihe wollen“, sagt Schweiger. Vor allem in der jungen Generation frage sich so manche, ob denn eine Arbeitswoche von 80 Stunden erstrebenswert und überhaupt möglich sei. Ab einer bestimmten Ebene sähen sich zudem viele immer noch vor der Entscheidung zwischen Kindern oder Karriere. „Viele kommen für sich zu dem Schluss, beides geht nicht.“ Dieses Gefühl der Unvereinbarkeit wollen die Initiativen wie FiNCA und LaNA vertreiben. „Wir wollen die Frauen motivieren, hinter die Kulissen zu schauen und vielleicht doch eine Führungsposition anzustreben“, sagt Schweiger. Als Referentin beim Ladies Lunch ist auch Sigrid Nikutta geladen: Sie hat es an die Spitze der Berliner Verkehrsbetriebe geschafft – mit vier Kindern.
Von Claudia Wessling für Adlershof Journal