Frikadelle aus dem Bioreaktor
Mushlabs GmbH nutzt Pilzzellen für die Produktion eines veganen Fleischersatzes
Pilze sind hocheffiziente Verwerter von pflanzlichen Abfällen, die sie zu Proteinen und weiteren wichtigen Nährstoffen wandeln. Die junge Hamburger Mushlabs GmbH entwickelt ein Bioreaktorverfahren, in dem Pilzzellen Abfälle aus der Lebensmittel- und Agrarindustrie zu einem hochwertigen Basismaterial für veganen Fleischersatz wandeln. Jüngst hat ein Adlershofer Mushlabs-Ableger die Arbeit aufgenommen.
Als promovierter Biologe möchte Mazen Rizk sein Wissen nutzen, um drängende Probleme unseres Planeten zu lösen. Fleischlastige Ernährung ist so ein Problem. So schlägt etwa die Produktion von einem Kilogramm Rindfleisch mit einem Verbrauch von 15.000 Litern Wasser, 7 kg Getreide, 30 Quadratmetern Nutzfläche sowie mit 25 kg CO2-Ausstoß zu Buche. „Der Ressourcenbedarf für die Ernährung der Menschheit stößt an natürliche Grenzen“, sagt er. Rizk, der in Hamburg lebt und forscht, trägt seinen Teil dazu bei, das zu ändern. Dafür hat er vor drei Jahren die Mushlabs GmbH gegründet.
Mittlerweile ist das Start-up auf 20 Köpfe gewachsen und expandiert mit einem Forschungs- und Entwicklungs- (F&E-)Standort nach Adlershof. Ausgestattet mit insgesamt 13 Millionen US-Dollar ( ̴ 11 Mio. Euro) Risikokapital aus zwei Finanzierungsrunden entwickelt Mushlabs ein Verfahren, das Abfälle aus der Agrar- und Lebensmittelproduktion in hochwertige vegane Lebensmittel wandelt. Der Schlüssel dazu sind Pilze – oder genauer deren Myzelien, also das unterirdische Fadennetzwerk, dessen Fruchtkörper wir als Speisepilze schätzen. Das Team züchtet sie in Bioreaktoren unter Beigabe von sonst bestenfalls an Tiere verfütterten, aber meist weggeworfenen Agrar- und Lebensmittelresten. „Auch Kaffeesatz, Sägemehl, Obstschalen aus Saftpressen oder Bagasse aus Zuckerfabriken verstoffwechseln die Myzelien in unserem Fermentationsverfahren in hochwertige Proteine, Mineral- und Ballaststoffe, Kohlenhydrate und Vitamine“, erklärt Rizk. Während dieser Mast schwimmen die Pilzzellen in Flüssigkeit. Sobald alle Abfälle in nährstoffreiches Wurzelwerk gewandelt sind, werden die Myzelien entnommen, getrocknet und wahlweise zu Würstchen, Nuggets oder Burger-Frikadellen weiterverarbeitet.
Derzeit haben die eingesetzten Bioreaktoren Laborformat. Das Team experimentiert mit vielen unterschiedlichen Pilzarten und Abfallstoffen, um den Fermentationsprozess künftig präzise steuern zu können. Der Gründer kann noch nicht im Detail darüber reden, wie die Zutaten den Geschmack und die Textur des pilzbasierten Fleischersatzes beeinflussen: „Noch ist die Patentanmeldung nicht abgeschlossen“, erklärt er. Doch aufgrund der bisherigen Ergebnisse ist er überzeugt, dass es sich nicht um eine Ernährungslösung für die ferne Zukunft handelt. Vielmehr verfolge Mushlabs das Ziel, in ein bis zwei Jahren erste Produkte auf den Markt zu bringen. Für die Skalierung der Fermentation auf Industriemaßstab führt sein Team zurzeit intensive Gespräche mit potenziellen Partnern aus der Lebensmittelbranche, um im ersten Schritt deren vorhandene Produktionsinfrastruktur und Vertriebswege nutzen zu können.
Bis dahin wird ein Team um Catherine Chaput in brandneuen Büros und Laboren in der Adlershofer Schwarzschildstraße 6 bei der weiteren Prozessoptimierung mitwirken. Chaput ist für den Aufbau des Berliner F&E-Teams verantwortlich. „Wir planen, bis Ende des Jahres auf fünf Mitarbeitende zu wachsen“, berichtet sie. Arbeit gibt es reichlich. Denn es geht dem Team nicht darum, irgendeinen veganen Fleischersatz zu schaffen. Vielmehr möchte es die Herstellung so energie- und ressourceneffizient wie irgend möglich auslegen. Laut Rizk ist das Verfahren schon jetzt doppelt so effizient wie in den Anfängen. Die exakte Bilanzierung läuft. Weil die Gründer mit Agrarabfällen, voluminösen Bioreaktoren statt Ackerflächen und hocheffizienten Stoffwechslern aus dem Reich der Pilze arbeiten, haben sie im Vergleich zum „Ressourcenfresser“ Fleisch sicher nichts zu befürchten. Bleibt nur noch abzuwarten, wie es schmeckt.
Von Peter Trechow für Adlershof Journal