Gestalten statt verwalten
Was treibt Adlershofer Unternehmer an
Der Campus Adlershof zählt zu den erfolgreichsten Technologieparks des Landes. Das hat Gründe. Allen voran findige Unternehmer mit Mut, hoher Motivation und Risikobereitschaft. Wir wollten wissen: Was treibt sie an? Welchen Zielen folgen sie? Wie ziehen sie ihre Mannschaft mit?
Nie stehenbleiben, Technologie vorantreiben, vorne mitspielen. Das treibt Kurt Winter an. Winter ist seit April Geschäftsführer der IQ Wireless GmbH, die hochleistungsfähige Funklösungen für die Luft- und Raumfahrt anbietet. Mit „FireWatch“ hat die Firma ein vielbeachtetes optisches System zur automatisierten Waldbrand-Früherkennung entwickelt. Feine, spezielle Technik am Puls der Zeit. So ganz nach Winters Geschmack.
Der Österreicher hat bereits früh sein erstes Unternehmen gegründet. So ging es weiter. Er pendelt zwischen Adlershof und dem heimatlichen Gleisdorf, wo er seit gut 20 Jahren eine Softwarefirma betreibt, die unter anderem Verkehrsmanagementsysteme entwickelt. Er weiß: Ohne motivierte Mitarbeiter, die für ihre Aufgabe brennen, lässt sich keine Firma lange am Markt halten. „Wesentlich ist, dass jeder Einzelne Verantwortung spürt, das macht, was er gut kann, und Spaß an seiner Aufgabe hat“, umreißt Winter, worauf es ihm ankommt. „Wenn es gelingt, bei sich und anderen die Freude an der Arbeit zu erhalten, dann gelingt alles“, ist sein Credo.
Daher gibt es bei IQ Wireless auch keine strengen Hierarchien und Weisungen von oben. Die Projektteams stellen sich je nach Auftrag immer wieder neu zusammen. Jedem Teammitglied ist klar, was es zum Gelingen beizutragen hat. Hilfreich dabei ist natürlich eine überschaubare Unternehmensgröße. Die 30-Mitarbeiter-Mannschaft von IQ Wireless ist für Winter ideal: „Da kann man noch ordentlich miteinander reden.“ Und genau das tat der Österreicher als erstes, als er nach Adlershof kam: Über zwei Monate hinweg nahm er sich die Zeit, mit jedem Mitarbeiter mindestens eine Stunde zu sprechen: „Das hat mir, und ich denke auch den Mitarbeitern, gutgetan. So entsteht eine gute Vertrauensbasis“, weiß Winter. Diese wird auch gepflegt: Wie es seit Jahren bei dem Hightechunternehmen Sitte ist, trifft man sich hier immer donnerstags nach Dienstschluss in der Kaffeeküche. Dort kann jeder zwanglos darüber sprechen, was ihm auf den Nägeln brennt. Winter liebt nicht nur Hightech, sondern auch den Plausch. Ein guter Unternehmer darf kein menschenscheuer sein. Das klingt bei ihm im Gespräch immer wieder durch wie auch seine Devise: Gestalten statt Verwalten. Wovon die Firma am meisten profitieren wird, ist wahrscheinlich Winters starker innerer Antrieb: „Ich bin für mein Leben gern Unternehmer“, betont er.
Auch Viacheslav Artyushenko, Gründer und Chef der art photonics GmbH, kann sich kaum einen besseren Job als seinen vorstellen: Seit 1998 entwickelt und fertigt das 30-köpfige Team Lichtwellenleiter für die Forschung, Industrie und Medizin. Zu den Kunden zählen auch die Europäische Weltraumorganisation (ESA), die Bayer AG, BASF SE und der Laserhersteller Coherent, Inc. Physiker Artyushenko gilt als Pionier der polykristallinen mittleren Infrarot-Fiberoptik von 1980, begann in Moskau eine Wissenschaftlerkarriere, sah das sowjetische System zerbröseln, war gleich 1990 Mitgründer eines russisch- amerikanisch-deutschen Joint Venture und startete acht Jahre später mit seiner eigenen Firma in Adlershof durch. „Ich wollte, dass meine Ideen etwas bewegen, aus ihnen Produkte werden. Etwa in der Medizin, um Krebs zu bekämpfen“, sagt der 65-Jährige. „Das treibt mich bis heute an.“ Das gilt auch für seine Mitarbeiter. Herausfordernde, sinnstiftende Aufgaben seien es, die sie motivierten. Das ist der Kern. Hinzukommen kleine Teams, eine familiäre Arbeitsatmosphäre, flexible Arbeitszeiten und gemeinsame Events, wie Grillfeste, Ausflüge und natürlich Geburtstage, die gefeiert werden. „Die Arbeit soll Freude bereiten und mit der Familie vereinbar sein“, betont der Chef. Wichtig sei auch der ständige Austausch untereinander – nur so gedeihen neue Ideen und bleibt die gute Atmosphäre in der Firma erhalten. Überdies locken konkrete Aufstiegsmöglichkeiten und Boni. Aber, das betont Artyushenko immer wieder: Geld ist nicht alles.
Das deckt sich mit Antworten der Adlershofer Jahresumfrage 2018. Gefragt nach der „Motivation unternehmerischen Handelns“ sind die Top 3: Erfolg und Ansehen, soziale Motive wie Arbeitsplätze schaffen und für gesellschaftlichen Fortschritt sorgen, sowie Ideen verwirklichen und Zukunft gestalten. Man sieht: Für unternehmerische Verwalter ist Adlershof der falsche Ort.
Von Chris Löwer für Adlershof Journal