Glänzende Aussichten
Nanodrähte für kleinste Schaltkreise
Adlershofer Physiker untersuchen mit optischen Analysemethoden die atomare Struktur von Nanodrähten. Die Winzlinge öffnen den Weg zu einer neuen Technologie, um Mikrochips leistungsfähiger zu machen.
Die Zukunft glitzert. Eugen Speiser, Physiker am Leibniz-Institut für Analytische Wissenschaften (ISAS) in Berlin-Adlershof, zeigt metallisch glänzende, dünne, zerbrechliche Plättchen. Sie stammen aus dem mannshohen Apparat in der Mitte des Labors. Gelenkt durch allerlei Röhren, Gitter und Spiegel trifft dort Laserlicht auf die Silizium-Plättchen, die zuvor im Hochvakuum gereinigt wurden. Dann verdampfen die jungen Forscher, die zum Team um Professor Norbert Esser gehören, ein wenig Indium. Die Metallatome schlagen sich auf der Kristalloberfläche nieder und ordnen sich brav in einer Reihe an.
Fingerabdruck der Probe
„Selbstorganisiert“, wie Esser sagt, der den Forschungsbereich Material- und Grenzflächenanalytik am ISAS leitet und gleichzeitig Professor an der TU Berlin ist. Die Probe wird mit Raman-Spektroskopie analysiert. Die Streuung des Laserlichts erlaubt hier Aussagen über chemische und physikalische Eigenschaften des Materials. „Man erhält quasi den Fingerabdruck der Probe“, sagt Speiser.
Neue optische Messmethoden
Auf die Verfeinerung solcher optischer Messmethoden verwenden die ISAS-Forscher viel Energie. Denn die Objekte, die sie untersuchen, sind nur wenige Nanometer (millionstel Millimeter) klein. Wie will man bei diesen Winzlingen physikalische Eigenschaften, die elektrische Leitfähigkeit etwa, messen? Kontakte lassen sich schlecht an den Nanodraht anlöten, die filigrane Struktur würde zerstört. Bei Esser und Kollegen kommen nur zerstörungsfreie Methoden infrage. In jahrelanger Feinarbeit wurden optische Verfahren weiterentwickelt, wie die Raman- oder die Reflexions-Anisotropie-Spektroskopie. Sie sollen als Standardprüfmethoden für Nanodrähte etabliert werden. „Mit diesen Methoden sind wir Weltspitze“, sagt der 53-jährige Teamleiter.
Doch warum wird so viel Energie in die Herstellung und Untersuchung dieser winzigen Drähte gesteckt? Warum wird die Palette der infrage kommenden Atome auf Blei, Gold und Silber ausgeweitet und weiteres Trägermaterial neben Silizium, etwa Germanium, betrachtet? Die Deutsche Forschungsgemeinschaft ist von der Wichtigkeit des Sujets überzeugt und fördert seit dem 1. Dezember 2012 die Forschergruppe FOR1700 für zunächst drei Jahre. Der Grund liegt nicht nur in der faszinierenden Herausforderung, solche atomaren Strukturen zu entschlüsseln. Hinzukommt die Aussicht, dass metallische Nanodrähte in elektronischen Bauteilen einmal unentbehrlich werden können. Denn die Mikrochips müssen immer leistungsfähiger und die Schaltkreise immer kleiner werden. Die herkömmliche Art der Herstellung per Lithografie wird bald an ihre Grenzen stoßen: Eine neue Technologie muss her.
Nanodrähte mit Dominoeffekt
Diese bieten die metallischen Nanodrähte. Neben ihrer kleinen Struktur haben sie besondere Eigenschaften. Beim „herkömmlichen“ Ladungstransport wandern Elektronen und transportieren auf diese Weise Strom. In den Nanodrähten sind die Elektronen aufgereiht und wandern höchstens zum Nachbaratom. Sie können jedoch die Richtung ihres Spins verändern, der die Drehung der Elektronen um die eigene Achse kennzeichnet. Dies veranlasst das nächste Elektron, dasselbe zu tun. Dieses „Umklappen“ wandert wie ein Dominoeffekt durch den Draht. Das könnte man – so Esser – nutzen, um elektronische Bauteile zu entwickeln, die kleiner und wesentlich schneller wären als herkömmliche Transistoren.
Das ist allerdings noch Zukunftsmusik, denn bisher gibt es hauptsächlich Theorien über die Eigenschaften metallischer Nanodrähte. Diese Vorstellungen an die Wirklichkeit anzupassen, ist das Ziel der Adlershofer Forscher um Esser. Mit der Entwicklung neuer optischer Methoden haben sie bereits wichtige Grundlagen gelegt.
Von Paul Janositz für Adlershof Journal
Links: www.isas.de