Gut aufgenommen
Zwei Gastwissenschaftlerinnen berichten über ihre Erfahrungen in Adlershof
„Ich fühle mich in Berlin zu Hause. Es ist eine wunderbare Stadt“, sagt Xiaofang Qi. Ihr Nachname „Qi“ sei wie „Tschi“ auszusprechen. Wie der Anfang von „chicken“, sagt die 27-jährige Physikerin lachend. Sie kommt aus Luoyang, einer Industriemetropole im Nordwesten Chinas mit nahezu sieben Millionen Einwohnern und vielen Umweltproblemen.
Jetzt freut sich Qi über die gute Berliner Luft, denn seit Anfang Oktober arbeitet sie im Adlershofer Leibniz-Institut für Kristallzüchtung (IKZ) an ihrer Doktorarbeit. Die Menschen in Berlin seien sehr nett zu ihr. Unterwegs bekomme sie oft Orientierungshilfe von Passanten, meist sogar auf Englisch. Qi hat noch in China einen sechswöchigen Deutschkurs besucht. Nun geht sie einmal in der Woche zum Unterricht im Internationalen Begegnungszentrum (IBZ), wo sie auch wohnt.
Als Qi nach Abschluss ihres Studiums an der Jiaotong-Universität in Xi‘an eine Zusage vom „China Scholarship Council (CSC)“ bekam, war ihr schnell klar, wo sie den einjährigen Auslandsaufenthalt verbringen wollte: in Deutschland, in Berlin und speziell in Adlershof. Die deutschen Forscher seien berühmt für ihre konsequente Arbeit und das IKZ sei hochangesehen in ihrer Disziplin, sagt Qi.
Hier untersucht sie im Team von Wolfram Miller, wie sich Kristallkeime beim Erstarren einer Siliziumschmelze entwickeln. „Die Leute im Institut sind sehr freundlich, arbeiten meist alleine und reden nicht viel“, sagt sie. In China gehe es am Arbeitsplatz wie auch in Kino oder Konzert viel lauter zu. Obwohl Qi deutsche Kost mit Fleisch und Kartoffeln schätzt, kocht sie täglich und nimmt das Essen mit ins Institut. Zurück in Xi‘an will sie die Dissertation abschließen, um dann eine wissenschaftliche Karriere starten zu können, in China oder gerne auch in Deutschland.
Diesen Weg ist Irina Kmit bereits gegangen. Die arrivierte Mathematikerin kommt aus Lwiw, ehemals Lemberg. Die Stadt mit etwa einer dreiviertel Million Einwohnern liegt im Westen der Ukraine. Kmit hat in Lemberg studiert und promoviert und dann an der Universität Kiew habilitiert. Vor sechs Jahren kam sie zusammen mit ihrem Mann, ebenfalls Mathematiker und Stipendiat der Alexander-von-Humboldt-Stiftung, nach Adlershof. „Die Stiftung hat uns perfekt betreut, wir haben uns sehr gut eingewöhnt“, sagt sie. Damals arbeitete Irina Kmit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Informatik der Humboldt-Universität zu Berlin (HU). Heute ist sie, auf drei Jahre befristet, am Mathematik-Institut der HU aktiv. Sie beschäftigt sich mit „hyperbolischen“ Differentialgleichungen, speziell solchen, die „Singularitäten“ beschreiben. Darunter versteht man Punkte, in denen kleine Ursachen große Wirkungen hervorrufen können. Dabei hat Kmit Analogien etwa zu Vulkanausbrüchen entdeckt. Sie hält auch Vorlesungen, gibt Seminare und nimmt an Forschungskolloquien teil.
Zusammen mit ihrem Mann, der jetzt in einem Projekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft tätig ist, und den beiden Kindern, acht und 15 Jahre alt, wohnt sie seit sechs Jahren in Adlershof, derzeit im IBZ. „Mit Kindergarten und Schule ist es hier gut gelaufen“, erzählt Kmit. Die Kinder seien so herzlich empfangen und betreut worden, „wie wir es gar nicht erwartet hatten“.
Die Entscheidung, nach Deutschland zu kommen, war fachlich begründet. „Auf meinem mathematischen Gebiet gibt es hier sehr gute Spezialisten“, sagt Kmit. Mittlerweile hat die Familie die deutsche Kultur und Lebensart schätzen gelernt und zahlreiche Freunde gefunden, mit denen sie auch in der Freizeit viel unternehmen. „Die Kinder spielen gerne Schach, sie haben schon mehrere Pokale gewonnen.“ Der Sohn nimmt an einer Arbeitsgemeinschaft der HU für mathematisch begabte Schüler teil, bei der diesjährigen Mathematik-Olympiade belegte er den dritten Platz im Landeswettbewerb.
Problematisch sieht die Forscherin allerdings die Befristung der Stellen im Wissenschaftsbereich. Das mache es schwer, für die Zukunft der Familie zu planen.
von Paul Janositz für Adlershof Journal
www.ikz-berlin.de
www.mathematik.hu-berlin.de/de