Happy End für Theater Ost
Adlershofer Kulturstätte findet Sicherheit in alter, neuer Heimat
Seit der Wende stand das denkmalgeschützte Haus an der Moriz-Seeler-Straße mit der Bedingung einer Medien- und Kulturnutzung zum Verkauf. „Was fehlte“, erzählt Kathrin Schülein vom dort beheimateten Theater Ost, „war ein kulturbesessener Investor.“ Schon 2008 gab es erste Kontakte zu einem Interessenten. Der entschied sich gegen einen Kauf: Adlershof war nicht urban genug. Inzwischen ist viel passiert. Im August 2020 wurde das Gebäude verkauft und nun denkmalgerecht saniert und durch einen Neubau ergänzt. Mit einer Lesung des Grandseigneurs der „Aktuellen Kamera“, Klaus Feldmann, und einer neuen eigenen Inszenierung startete das Theater Ost in die neue Saison – erstmals mit der Sicherheit einer alten, neuen Heimat.
Die Mühen tragen endlich Früchte. „Wenn ich eins gelernt habe“, sagt eine entspannte Kathrin Schülein, „ist es, sich nicht beirren zu lassen, auch bei Stolpersteinen. Es gibt für alles eine Lösung. Beständigkeit zahlt sich irgendwann aus.“ Fehlende Urbanität ist heute kein Thema mehr. Tausende Wohnungen sind in der Wissenschaftsstadt entstanden. Deren Bewohner/-innen füllen das neue Quartier mit Leben. Gut geplanter Wohnraum mit viel Grün drum herum, allen Verkehrsmitteln und einem abwechslungsreichen gastronomischen Angebot vor der Tür.
Jahrelang haben Schülein und ihr Team Tänzerinnen, Schauspielern, Sängerinnen und Technikern Zeit, Nerven und viel Geld investiert, im Theater immer wieder Vorstellungen gegeben und so zum Erhalt des Baus erheblich beigetragen. Mehr als zehn Jahre kämpften sie um das Haus voller Geschichte – Theatergeschichte sogar. Denn das 1952 als Fernsehtheater errichtete zweigeschossige Gebäude hat Schwänke und Operetten gesehen, bevor es das – heute einzig erhaltene – Fernsehstudio der „Aktuellen Kamera“ wurde, dem einstigen Nachrichtenflaggschiff des DDR-Fernsehens. Mit seinem großen Saal, der Empore, den Regieräumen und dem repräsentativem Eingangsfoyer ist es ein wichtiges bauliches Zeugnis der DDR-Moderne.
Seit 2011 war Schülein neben dem Gebäudeverwalter, der hier seine Büros hatte, die Einzige, die mit ihrer Tanzschule art changé und ihrer Tanzkompanie das alte Haus mit Leben erfüllte. Hinter der Spiegelwand im Tanzsaal versteckte sich das ehemalige Theater. „Irgendwann hatte ich einen Geistesblitz“, erzählt die Palucca-Schülerin. „Warum woanders Theater machen, wenn hier eins steht. Keiner hat geahnt, was das bedeutet“, erinnert sich Schülein. Klein gestartet, hat sich das Theater Ost nach zwei, drei Jahren etabliert, nach vier Jahren brummt der Laden. „Zehn von zwölf Veranstaltungen im Monat waren ausverkauft“, berichtet Schülein stolz. Dann die Frage: „Möchtest du den großen Saal?“. Viel zu groß, dachte sie sich. „Ich habe ja alles selber gemacht.“
Dann 2017 Panik. Ein Investor war gefunden. Die erste Reaktion: „Ihr kriegt mich hier nicht raus. Und wenn ich mich anketten muss.“ Doch der Investor erweist sich als Glücksfall. Es ist der kulturbesessene Geldgeber, den sich Schülein immer gewünscht hatte. Stefan Klinkenberg kauft das Gebäude. Ein Kreuzberger Architekt mit Sinn für und Lust an Kultur und vor allem mit der Erfahrung, wie Projekte wie das Adlershofer Theater zu begreifen und zu verwirklichen sind. „Sogar den alten Mietvertrag hat er übernommen, solange das Gebäude noch nicht saniert ist“, erzählt Schülein, sichtlich froh über diese Fügung. Es geht voran für das Theater Ost.
Erleichterung verbreitet sich nun auch wieder nach zwei mit viel Ungewissheit belasteten Pandemie-Jahren. „Theater to go“, das war eine der Ideen für diese Zeit. Aber: „Wir durften ja nichts“, erzählt Schülein. Kultur war stillgelegt. Ein kurzer Hoffnungsschimmer während der Lockerungen im Sommer 2020. Ein Theaterzelt wird gemietet und aufgebaut, nur um es nach wenigen Aufführungen und erneutem Lockdown wieder zu schließen. Besonders schade: Die eigene Till-Eulenspiegel-Inszenierung, extra outdoortauglich gemacht, kann erst im Folgejahr auf der neuen Open-Air-Bühne aufgeführt werden. Und auch heute spürt das Theater die Nachwehen der Pandemie. Viele Kulturschaffende sind in andere Berufe gewechselt. Es fehlt an Schauspielerinnen, Ton- und Lichttechnikern. Die Zuschauer/-innen sind zurückhaltend.
Die Erfahrungen der Pandemie hat Schülein nun kanalisiert. „Kultur ins Grundgesetz“ heißt die von ihr und acht weiteren Künstler/-innen gestartete Initiative. „Kultur“, sagt sie, „darf nicht eine freiwillige Aufgabe des Bundes und der Länder bleiben. Sie muss ein Grundrecht werden, zugänglich und erschwinglich für alle.“ Theatermacherinnen und Künstler in Ost und West unterstützen die Initiative, auch der Deutsche Bühnenverein, der Deutsche Kulturrat, die Gewerkschaft ver.di und die Kultusministerkonferenz haben sich hinter Schülein versammelt. Bis Dezember noch sammelt die Initiative Unterschriften für eine Petition. 50.000 Stimmen braucht Schülein. Auch hier wird sie sich nicht beirren lassen, wird beständig sein.
Rico Bigelmann für Adlershof Journal