Hast du schon gehört?
Wie die Gerüchteküche unser Verhalten beeinflusst
Adlershofer Psychologinnen haben herausgefunden, dass Gerüchte großen Einfluss auf die Beurteilung eines Menschen haben.
„Abscheulich! Dieser Mann hat ein kleines Kind geschlagen, weil es ihn ein wenig gerempelt hat. Jetzt geht er weg und tut so, als wäre nichts gewesen.“ Wer das hört, wird diesem Menschen möglichst aus dem Weg gehen und auch andere vor ihm warnen. Dass man den Vorfall nicht selbst gesehen hat, dass die Nachbarin, die es erzählt, gerne tratscht, dass man keine Tatsache, sondern nur ein Gerücht gehört hat, macht man sich oft nicht klar.
Wie Gerüchte – positive oder negative – unser Urteil über andere Menschen beeinflussen können, haben Mitarbeiterinnen von Rasha Abdel Rahman, Professorin für Neurokognitive Psychologie an der Humboldt-Universität zu Berlin, in einer aktuellen Studie untersucht. „Wir haben unseren Probanden Bilder bekannter und unbekannter Personen gezeigt“, sagt Psychologin Milena Rabovsky. Darunter waren Bösewichter wie Anders Breivik, der norwegische Massenmörder, Muammar al-Gaddafi, der libysche Diktator, oder Josef Mengele, der verbrecherische KZ-Arzt. Beispiele positiv einzuschätzender Menschen waren der Dalai Lama, Nelson Mandela oder Vicco von Bülow, alias Loriot.
Zusätzlich wurden biografische Details erzählt, die bei den bekannten Personen der Wahrheit entsprachen, bei den unbekannten Gesichtern jedoch erfunden waren. Bei Letzteren handelte es sich um Gerüchte. Positive, etwa dass diese Person sich ehrenamtlich betätige oder im Widerstand gegen die Nazis aktiv gewesen sei. Oder negative, zum Beispiel, dass dieser Mensch ein Kind geschlagen oder eine junge Frau missbraucht habe.
Zunächst war der Gesichtsausdruck der gezeigten Personen zu beurteilen. Schauen sie freundlich oder böse? Überraschenderweise bewerteten die Probanden die ihnen unbekannten und bekannten Gesichter unterschiedlich. Bei den Prominenten, die sie bereits vor dem Experiment kannten, waren die biografischen Kenntnisse entscheidend für die Beurteilung. „Der guckt böse“, hieß es etwa bei Breivik. Dem Dalai Lama hingegen wurde stets ein fröhlicher Ausdruck unterstellt. Bei den für die Probanden unbekannten Gesichtern hatte die Art der Informationen keinen Einfluss auf die Wahrnehmung.
Anders verhält es sich bei der emotionalen Einstellung, bei der Frage also, mag ich die Person oder nicht. Das Experiment ergab, dass bereits zweimaliges Hören nicht bewiesener und im Moment nicht nachprüfbarer Informationen die Meinung über die unbekannte Person festlegt. Dazu gaben die Probanden Wertungen von eins bis fünf in der Sympathieskala ab. „Ob die Personen als sympathisch oder unsympathisch eingestuft wurden, hing stark davon ab, was vorher über sie erzählt worden war“, erklärt Rabovsky.
„Schon minimales Wissen über andere Personen hat Einfluss auf Sympathie und Antipathie.“ Allerdings können nur Informationen, die Emotionen ansprechen, einen solchen Einfluss ausüben. „Die Mitteilung, dass jemand Bauchweh hat, wirkt sich nicht auf die Sympathie aus“, sagt die Adlershofer Psychologin. Entscheidend sei, ob der gerüchteweise geschilderte Vorfall auf zukünftiges Verhalten schließen lasse. Aus solchen Gerüchten könne man dann ableiten, ob man mit der betreffenden Person gerne befreundet wäre oder lieber einen weiten Bogen um sie macht.
Von Paul Janositz für Adlershof Journal