Hausmeister hoch neun
Die Arbeit des Gebäudetechnikers Michael Huse
Michael Huses Reich liegt hinter fest verschlossenen Türen. Mit drei Mitarbeitern betreut der Facility Manager modernste Haustechnik in einem Dutzend Gebäuden des Wissenschafts- und Technologieparks Adlershof. Sein Büro im Souterrain des Zentrums für Photonik und Optik gleicht einem Taubenschlag. Handwerker geben sich die Klinke in die Hand. Dauernd klingeln Telefone und Handys. Huse ist rund um die Uhr darauf gefasst, eine von 18.300 verschiedenen Störmeldungen aus den bestens vernetzten Technikzentralen „seiner“ Häuser zu empfangen.
„Vorsicht heiß!“, warnt Michael Huse. – Ein typischer Huse. – Wo sein Besuch noch vom Panorama-Blick auf dem Dach des Zentrums für Photonik und Optik (ZPO) gebannt ist, denkt er schon weiter. Tatsächlich hat die Mittagssonne die Metallgeländer hier oben empfindlich aufgeheizt.
Als Facility Manager ist es der drahtige Gebäudetechniker gewohnt, für Andere mitzudenken – und dabei über das große Ganze kein Detail zu vergessen. Seine Führung führt in Dutzende Technikräume, in denen es von Hähnen, Ventilen, Schaltkästen, Kabeln und Rohren aller denkbaren Durchmesser wimmelt. Hier wird Strom verteilt, dort Gase, hier gluckert Wasser, das per Umkehrosmose, Membran-Filterung, UV-Bestrahlung & Co. zu Reinstwasser aufbereitet und in Reinsträume gepumpt wird, dort kommt es als Abwasser zurück und wird von giftigen, umweltbelastenden Rückständen befreit. Ein paar Räume weiter laufen Brandschutzsysteme zusammen. Es ist ein Rundgang durch die Nieren, Lungen, die Blutgefäße und Nervenstränge des Technologieparks.
Mit drei Mitarbeitern ist der Angestellte der Adlershof Facility Management GmbH für Reinhaltung, die Grünanlagen und vor allem die Haustechnik von 13 Gebäuden verantwortlich. Alle liegen sie rund um die Schwarzschildstraße und wären von hier gut zu sehen, stünde das ZPO-Dach nicht proppenvoll mit Klimatechnik. Drei Container-große Kältemaschinen bilden die Knotenpunkte eines Gewirrs verzinkter Kühlkanäle, die in das Kältenetz von Huses „Reich“ münden. Es ist ein kleiner Teil des eng verwobenen Netzwerks, über das er wacht. Auch Lagerung und Verteilung technischer Gase und ein Druckluftverbund unterliegen seinen wachsamen Blicken. Dezentrale Verdichter pumpen Gase und Druckluft in die Labors und Werkhallen jener Hightech-Firmen und Forschungsinstitute, die hier im Umkreis von 200 Metern neue Wege der Halbleitertechnik, Photovoltaik und Kristallzucht erforschen.
„Unsere Mieter haben im letzten Jahr allein 578.000 Kubikmeter Stickstoff verbraucht“, berichtet er. Als Schutzgas verhindert der Stickstoff in den Prozessen der Forscher ungewollte Oxidationen und weil er hoch rein ist, werden Maschinen in Reinräumen damit ausgeblasen. Kaum ein Unternehmen kann vorab sagen, wie viel Stickstoff es brauchen wird. Huse muss dennoch die richtige Menge bestellen – ginge der Stickstoff aus, wäre bei vielen Firmen Holland in Not. „Noch schlimmer wäre es allerdings, wenn einer unserer Verdichter Öl an das Gas abgäbe“, so Huse. Sensoren, regelmäßige Wartung und Begutachtung beugen diesem „Worst-Case-Szenario“ vor.
Dass fristgerecht Handwerker und Sachverständige bestellt werden, liegt ebenso in der Verantwortung des Facility Managers, wie deren Ausstattung mit Schlüsseln und Transpondern – und die regelmäßige Überwachung der Leitwarten-Informationen, die ihm sowohl auf seinen Rechner als auch auf sein Smartphone übermittelt werden.
Entsprechend lebhaft ging es vorhin in Huses Büroräumen im Souterrain des ZPO-Altbaus zu. Ständig klingelte das Telefon, summten Kurzmitteilungen auf seinem Handy, versuchten Handwerker-Trupps mit ihm Schlüsselfragen und technische Details zu klären. Hier auf dem Dach kommt er zur Ruhe. Allerdings lässt er besorgte Blicke über die Zinkkanäle auf dem Neubau-Dach schweifen. Die Witterung setzt ihnen zu. Huse deutet auf aufgebogene Falze, die den Blick auf Dämmmaterial freigeben. „Schade, wir hatten die Kälteerzeugung und -verteilung im Sinne höherer Energieeffizienz und Versorgungssicherheit gerade neu strukturiert. Kältemaschinen und Pumpen sind nun exakt bedarfsgerecht gesteuert“, erklärt er. Die Lecks werfen die Einsparbemühungen zurück.
Doch frustriert ist Huse davon nicht: Facility Manager können immer nur Einzeletappen einer endlosen Tour gewinnen. So wie in dieser Gewitternacht Anfang Juli. Da gingen 140 Fehlermeldungen auf seinem Smartphone ein. Die Sensoren in den Technikzentralen seines vernetzten Reichs schlugen wieder und wieder Alarm. Von seinem Laptop aus hat er in dieser Nacht eine Störung nach der anderen behoben. „Hinfahren musste ich glücklicherweise nicht“, sagt er. Und auch Handwerker musste er nicht zum nächtlichen Noteinsatz anfordern.
Als die Mieter am nächsten Morgen die Arbeit an ihren Hightech-Maschinen in ihren Reinraum-Labors aufnahmen, haben sie nicht das Mindeste vom nächtlichen Störfeuerwerk mitbekommen. Für Huse ein Erfolgserlebnis: Er weiß, dass er genau dann am besten ist, wenn keiner ihn wahrnimmt.
Autor: Peter Trechow