Hochsensible Messung für kleinste Teilchen
Innovativer Einzelpartikelzähler dient auch der Qualität von Medikamenten und Impfstoffen
Feste Partikel in Flüssigkeiten zuverlässig identifizieren zu können, ist kompliziert, wenn die kleinsten Teilchen im Nanometer- (milliardstel Meter) und die größten Partikel im Mikrometer-Bereich liegen, also etwa tausendmal größer sind. Die Intensität der erzeugten Licht-Signale kann sich dann bis um den Faktor 107, also das 10-Millionenfache unterscheiden. Für die Qualität von Medikamenten oder Impfstoffen und ihre sichere Anwendung müssen jedoch Größe wie Konzentration der einzelnen Partikel genau bekannt sein. Die Messung muss zudem sehr schnell gehen, um die kleinen Teilchen überhaupt einzeln erfassen zu können.
Physiker Martin Hussels, der im Fachbereich Biomedizinische Optik der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) am Standort Berlin-Charlottenburg arbeitet, konnte diese schwierige Aufgabe zusammen mit einem PTB-Kollegen und in Kooperation mit der LUM GmbH meistern. Das Adlershofer Unternehmen hatte schon Vorarbeiten gemacht und suchte die Zusammenarbeit mit den Experten der Bundesanstalt. Daraus wurde ein dreijähriges Projekt, gefördert vom Bundeswirtschaftsministerium im Rahmen seines Technologie-Transferprogramms.
Ausgangspunkt war die Durchflusszytometrie. „Wir haben diese Methode der Zellvermessung weiterentwickelt“, sagt Hussels. Die Technik basiert darauf, dass die Zellen optische Signale aussenden, sobald sie einen Laserstrahl passieren. Je nach Form, Struktur oder Färbung zeigen sich unterschiedliche Effekte, die auf das Volumen des Teilchens, der Beschaffenheit der Oberfläche oder der Größe des Zellkerns schließen lassen. Doch die Konzentration insbesondere von Partikeln, die kleiner als ein Mikrometer sind, ließ sich damit bisher nicht genau bestimmen.
„Das ist sehr spannend und macht mir auch Spaß“, sagt Professor Dietmar Lerche. Der Geschäftsführer der LUM GmbH spricht über die technischen und wissenschaftlichen Herausforderungen, denen sich sein Adlershofer Unternehmen stellt. Kennzeichnend für den Erfolg sind nicht nur die zahlreichen analytischen Messgeräte, deren Name mit „LUMi“ beginnen. So steht LUMiFuge für Stabilitätsanalyse und LUMiFrac für Adhäsionsprüfung, etwa die Festigkeit eines Klebstoffes. Dafür gab es den Innovationspreis Berlin-Brandenburg 2012.
Auch zu einem in Coronazeiten hochaktuellen Thema leisteten die LUM-Expert:innen einen wichtigen Beitrag, der 2021 zur Nominierung für den Innovationspreis führte. In Zusammenarbeit mit der PTB wurde der Einzelpartikelzähler „LUMiSpoc“ entwickelt. Mit diesem hochsensiblen Messgerät lassen sich Größe, Beschaffenheit und Konzentration von winzigen, in Flüssigkeiten enthaltenen Feststoffteilchen charakterisieren. Das betrifft auch die Adjuvantien, oft Metalloxide, die - nur 100 bis 500 Nanometer (milliardstel Meter) klein - Medikamenten oder Impfstoffen zugefügt werden und deren Wirkung verstärken oder überhaupt erst ermöglichen.
„In die Entwicklung des Einzelpartikelzählers habe ich viel von meinem Know-how reingesteckt“ sagt Hussels. So wurden Elektronik und Verstärker verbessert und die Optik verfeinert. Für die Messung im LUMiSpoc wird zunächst die zu untersuchende Probe in den Messkolben injiziert, dann wandern die einzelnen Teilchen nacheinander durch die Durchflussküvette und werden vom Laserstrahl erfasst. Wie es die Abkürzung „Spoc“ (Single Partical Optical Counter) verdeutlicht, fungiert das Gerät als Photometer, der die Intensität des Lichts misst, das von jedem Nano- oder Mikropartikel in verschiedenste Richtungen gestreut wird. Pro Sekunde können bis zu 10.000 Teilchen analysiert werden.
„Das ist das Neue“, erklärt Hussels, „dass man in einer einzigen Messung die Größenverteilung und Konzentration der Partikel im Bereich von 40 Nanometer bis 10 Mikrometer sehr genau und schnell bestimmen kann.“ In einem weiteren Projekt werden derzeit Datenerfassung und Auswertung weiter optimiert.
Der 38-jährige Physiker, der an der Freien Universität Berlin studiert und an der Universität Tübingen in Physikalischer Chemie promoviert hat, nutzt gern die Partikel-Forschung, um Modelle zu entwickeln und zu testen, was sich in biologischen Systemen eher schwierig gestalte: „Partikel kann ich synthetisieren und sie verändern, so wie ich es brauche.“ Die gewonnenen Erkenntnisse könnten dann an Zellen und anderen biologischen Substanzen angewandt werden. Der medizinische Sektor, vor allem im Impfstoff-Bereich, dürfte an der neuen Technologie interessiert sein.
Doch nicht nur im pharmazeutischen Bereich leisten die Einzelpartikelzähler nützliche Dienste. „Auch in der Elektronik gibt es Bedarf“, sagt LUM-Geschäftsführer Lerche. So bei der Produktion von Wafern. Aus diesen Scheiben, meist aus Silizium, werden Mikrochips hergestellt. Dazu muss die Oberfläche aufs Feinste geglättet werden. „Die Poliermittel dürfen keine zu großen Partikel enthalten, da sonst die Oberfläche zerkratzt wird“, berichtet der Biophysiker.
Lerches Unternehmen umfasst weltweit etwa 50 Mitarbeitende, mittlerweile existieren auch „Töchter“ in den USA, Japan und China sowie Frankreich. Seit 2003 gibt es zudem in Adlershof ein Split-off: die Dr. Lerche KG. Dort wird Analytik und Biotechnologie erforscht und als Dienstleistung angeboten. Beide Firmen sind zudem in der Standardisierung, etwa im DIN- oder ISO-Bereich aktiv. Das entwickelte Messprinzip ist auch im Rahmen der EU-Richtlinien bezüglich Nanomaterialien wichtig. „Für die Einstufung als riskantes Material ist entscheidend, wie groß der Anteil der Partikel ist, die kleiner als 100 Nanometer sind“, erklärt Lerche.
Dr. Paul Janositz für Adlershof Journal