„Ich lebe in der Zukunft”: Ein Blick in das Future-Living-Wohnen
In Stefan Schwunks Loft ist dank Smart-Home-Technik alles per Sprachbefehl und App ansteuerbar, auch Wasserschäden gehören jetzt der Vergangenheit an
Stellen Sie sich vor, Sie wohnen allein. Trotzdem werden Sie jeden Morgen von frischem Kaffeeduft geweckt, während die Rollläden automatisch hochfahren, der Ofen für die Croissants schon vorgeheizt ist und die Lautsprecher ihren Lieblingssong spielen. Währenddessen checken sie gemütlich, welchen Ladezustand Ihr Elektroauto hat, um damit zur Arbeit zu fahren. Dank smarter Steckdosen und anderer Technik ist all dies schon möglich.
Future Living Berlin stattete 90 Wohnungen am Groß-Berliner Damm und in der Konrad-Zuse-Straße mit allen technischen Finessen aus, die man sich heutzutage wünschen kann. Die Wohnungen lassen sich mit Chipkarte öffnen, die Lichter und Rollläden sind auch per Smartphone programmier- und ansteuerbar, der Fernseher ist smart und der Aufzug funktioniert tastenlos. Alle 14 Gebäude sind miteinander vernetzt, bei Feueralarm werden alle anderen Mieter/-innen des Hauses gewarnt, dank Wassersensor können undichte Stellen schnell entdeckt werden.
Für viele sei das smarte Erlebnis neu, so Birgid Eberhardt, Bereichsleiterin Smart Home/AAL bei der Future-Living-Betreiberin GSW Gesellschaft für Siedlungs- und Wohnungsbau Baden-Württemberg mbH: „Die allerwenigsten konnten Erfahrungen mit Smart Homes machen, einige hatten schon einmal digitale Heizkörperstellventile oder ein smartes Lichtsystem, smarte Lautsprecher oder einen Staubsaugerroboter. Mit digitalen Schließsystemen kannten sich ungefähr 15 Prozent der Mieter aus. In einer Smart-Home-Mietwohnung hatte vorher niemand gewohnt.“
Anfang letzten Jahres zogen die ersten Mietparteien ein, seit Ende 2020 sind alle Wohnungen vergeben. Jede Altersgruppe sei vertreten. Neben „sehr jungen Mieterinnen und Mietern unter 35 Jahren“ (55 Prozent), seien auch schon über 65-Jährige (20 Prozent) auf den Geschmack gekommen, auch zwei 80-Jährige nutzen den Komfort.
Insgesamt 26 verschiedene Nationalitäten nutzen das smarte Angebot. Ein besonderes Augenmerk legt Eberhardt, die auch als Projektleiterin im Forschungsprojekt ForeSight arbeitet, auf Barrierefreiheit. „Wir möchten sowohl blinde und taube Menschen sowie Menschen aus allen Nationalitäten bei unserem Projekt mitdenken. Wussten Sie, dass Gesichtserkennung nicht bei allen Menschen funktioniert? Das möchten wir ändern.“
Auch Stefan Schwunk (43) begeisterte das innovative Projekt sofort. „Als ich über Future Living gestolpert bin, hatte ich ein großes Grinsen im Gesicht und dachte: Wie geil ist das denn? Das ist das, was ich alles zu Hause in Bremen selbst eingerichtet hatte und es wird als Feature kostenlos mit der Miete angeboten. Ich lebe in der Zukunft.“
Im Lockdown suchte er sich die Wohnung per Facetime aus und war sofort überzeugt. Anfang Februar zog er in sein 75-Quadratmeter-Loft, das er im Industrial Style einrichtete: viel Holz, Beton und Stahl. Die Möbel hatte er per Internet direkt in sein smartes, energieeffizientes Zuhause bestellt.
Das Haus produziert dank Photovoltaikanlage auf dem Dach selbst Strom, die Heizung läuft über Wärmepumpen. 38 Prozent des gesamten Stromverbrauchs der Anlage wird durch Sonnenenergie produziert, im Stromspeicher befinden sich 180 Kilowattstunden. Das sei schon eine ganze Menge, so Eberhardt. Wenn alle Stricke reißen, gibt es dann Notstrom? „Leider nicht, wenn der Strom weg ist, benutzt man den Hausschlüssel.“
Im Eingangsbereich zeigt der Smart-Home-Manager den Stromverbrauch an. „Ich gucke tatsächlich öfter auf die Smart-Home-Anzeige, um zu erfahren, wie viel gerade verbraucht wird,“ gesteht Schwunk. „Ich verbrauche vielleicht 109 Watt im Monat, obwohl meine zwei Rechner voll durchlaufen, die Boxen im Badezimmer automatisch Musik spielen, sobald jemand den Raum betritt, und eine Kamera oder mein Handy lade ich auch meistens.“
Der 43-Jährige betreibt den YouTube-Kanal „Schwunkvoll“, wo er unter anderem Elektroautos testet und über Vorurteile gegenüber smarter Technik spricht. Vor kurzem startete Schwunk den Kochkanal „Einfachkoch“. Ein Fernsehstudio braucht er dafür nicht, denn die Wohnung ist für ihn der perfekte Ort, um Videos aufzunehmen.
Mit der Bahn fährt er eine halbe Stunde zum Alexanderplatz, wo er als Qualitätsmanager bei einer Volkswagentochter im Bereich E-Mobilität arbeitet. Da Supermarkt und Fitnesscenter fußläufig zu erreichen sind, nutzt er den hauseigenen Carsharing-Service selten, für weite Strecken greift er auf sein eigenes Auto zurück: einen schwarzen Porsche mit Elektroantrieb. Alle zwei Wochen fährt er nach Bremen, um seine sechsjährige Tochter zu besuchen.
Auch sie hat keine digitalen Berührungsängste. „Sie weiß genau, wie sie über Facetime den Papa anrufen kann, obwohl sie noch nicht lesen kann, und schickt mir Sprachnachrichten und ab zu einen digitalen Knutscher.“
Susanne Gietl für Adlershof Journal