„Ich mag klare Linien und Formen“
Simon Eichmanns eindrucksvolle Fotos vom Technologiepark Adlershof
Simon Eichmann wählte für seine Abschlussarbeit in Fotografie Motive aus dem Technologiepark Adlershof und überrascht mit eindrucksvollen Fotos aus ungewöhnlichen Blickwinkeln
Ausgerechnet am „Trudelturm“ entdeckte Simon Eichmann seine Faszination für den Technologiepark Adlershof. Der Trudelwindkanal, in den 1930er Jahren Simulationsanlage für vertikale, oft für Piloten tödliche Luftströme, ist einer der außergewöhnlichsten Bauten Berlins. Mit seiner Vorliebe für den Turm ist er nicht allein, denn spätestens seit Rammstein in diesem Jahr das Cover für ihr Album „Zeit“ am „Stein-Ei“ produzierten, pilgern viele Menschen zu dem historisch geschützten Denkmal. Eichmann sah den Trudelturm während eines Fotografieausflugs mit seinem Vater zum ersten Mal. Seitdem kehrt er gerne dorthin zurück. „Das ist nicht einfach nur eine grüne Wiese, sondern ein wirklich spannender Ort, der Geschichte und Wissenschaft miteinander verbindet“, erklärt Eichmann, der als Auszubildender des Lette Vereins Berlin alles daransetzte, seine Abschlussfotos in Adlershof zu machen. „Ich habe der Betreibergesellschaft ein Konzept geschickt, von ihr wichtige Kontaktinfos bekommen und den Unternehmen ohne Ende E-Mails geschrieben“, fährt der 20-Jährige fort. Seine Beharrlichkeit zahlte sich aus. Ab Dezember 2021 linste Eichmann mit seiner Kamera in viele Wissenschaftsgebiete.
Er beschäftigte sich viel mit Physik, besuchte ein Blockheizkraftwerk, das Leibniz-Institut für Kristallzüchtung und lernte durch den Besuch der HPS Home Power Solutions AG, wie man Energie in Wasserstoff umwandelt. „Eines der Highlights war für mich das Helmholtz-Zentrum Berlin, das im Berliner Elektronenspeicherring (BESSY II) mit hellen Röntgenblitzen verschiedene Proben von neuen Wirkstoffen und Materialien für solare Wasserstofferzeugung untersucht.“
Für die Fotos ließ sich Eichmann von Ludwig Windstosser inspirieren, der in den 1950er Jahren die Strömung der subjektiven Fotografie prägte. Er fokussierte sich auf abstrakte Schwarz-Weiß-Aufnahmen und ungewohnte Perspektiven. „Ich mag klare Linien und Formen. Meine Motive wirken künstlich und fast surreal, weil ich bei Architekturfotos mit wenig räumlicher Tiefe arbeite.“ Auch fand Eichmann heraus, dass er durch Motiventscheidungen die allgemeine Wahrnehmung verändern kann: „Es gibt sehr viel optische Unruhe in den Laboren. Da ich nur einen Ausschnitt wähle, blende ich den visuellen Lärm aus und bringe so Ordnung und Ruhe in das Bild.“
Eichmann benutzt eine Plattenkamera aus den 1950er/60er-Jahren. Die Kamera macht analoge Fotos, die auf eine Fotokassette gebrannt werden. Ein Foto passt auf eine Seite der Kassette. Durch seinen Fotoapparat übt sich der Fotograf in Geduld. „Es dauert eine gewisse Zeit, bis ich alles eingerichtet habe: die Lupe, die Schärfe und auch das Bild selbst. Durch Linien sehe ich, ob mein Motiv gerade ist, und kann so mein Bild genau komponieren. Ich fotografiere inzwischen nicht mehr so viel digital.“
Im Mai 2022 schloss er die „Particles 52.4° 13.5“-Reihe ab. Von den 1.200 Unternehmen, die in Adlershof ansässig sind, sah Eichmann nur einen Bruchteil. „Deswegen nenne ich die Reihe Particles, die Zahlen beziehen sich auf die Koordinaten.“
Im Monat darauf folgte die „Outro“-Jahresausstellung des Lette Vereins Berlin, ganz nebenbei wurde Eichmann für den „Lette Design Award by Schindler“ nominiert. Die Adlershof-Motive präsentierte Simon Eichmann beim WISTA-Jahresempfang im August, bis zum Jahresende hängen seine Werke nun auf drei Etagen des Zentrums für Biotechnologie und Umwelt II in der Magnusstraße 11 und sind an den Werktagen kostenfrei zu besichtigen.
Aktuell arbeitet Eichmann, der seine Ausbildung im Sommer abschloss, in Teilzeit bei einem Verleiher für Fotoequipment. In seiner freien Zeit widmet er sich eigenen Projekten, meist sind es Stillleben. In Sachen Zukunft setzt Eichmann alles auf eine Karte: „Nach den letzten drei Jahren, in denen ich bei vielen professionellen Produktionen assistierte und selbst viel fotografiert habe, gibt es für mich keinen Plan B. Und das wird auch funktionieren, wenn ich mich ranhalte.“
Susanne Gietl für Adlershof Journal