„Ich möchte Vorbild für andere Wissenschaftlerinnen sein“
Über die Karrierewege zweier Alumnae der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung
Zwei ehemalige Chemikerinnen der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) erzählen von ihrem Weg in den MINT-Bereich, wie sie mit möglichen Vorurteilen umgehen und warum es sie schließlich in die Wirtschaft verschlagen hat. Ein Gespräch mit Madlen Chao, Application Engineer bei der SECOPTA analytics GmbH, und Franziska Hanßke, die bei der JENOPTIK Optical Systems GmbH als Production Engineering Expert arbeitet.
Adlershof Journal: In den typischen MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) sind Frauen häufig in der Unterzahl. Wie sind Sie zum Chemiestudium gekommen?
Madlen Chao: Ich hatte schon auf dem Gymnasium eine sehr engagierte Chemielehrerin, die mit uns auch nach der Schule Experimente machte. Ich wollte z. B. unbedingt herausfinden, warum sich die Farben bei einer chemischen Reaktion verändern, welche Reaktionen dahinterstecken. Es gibt zwei Ausgangsstoffe mit komplett verschiedenen Eigenschaften, diese werden zusammengemischt und heraus kommt ein Produkt mit wieder neuen Eigenschaften. Das begeisterte mich sehr, so dass ich beschlossen habe, Chemie zu studieren.
Franziska Hanßke: Für mich war schon immer klar, dass ich in diese Richtung gehe. Am Gymnasium besuchte ich die Profilklasse für Mathe und Naturwissenschaften. Während des Abiturs wählte ich alles ab, was mit Sprachen und Geschichte zu tun hatte. Am Ende fand ich Mathe zu abstrakt und Chemie lag mir einfach. Das habe ich dann auch studiert.
AJ: Gab es Vorurteile gegenüber Frauen im Studiengang Chemie?
Franziska Hanßke: Für das Fach müssen alle ins Labor und beweisen, dass sie inhaltlich verstanden haben, was sie machen. Da gab es schon ein paar Männer, die lieber mit meinem Praktikumspartner sprachen als mit mir. Im Studium haben wir mit 50 Prozent Frauen angefangen, zum Schluss waren es dann nur noch 30 Prozent. Aber mit Vorurteilen hatte das nichts zu tun.
Madlen Chao: Ich habe das Gefühl, dass in der Wissenschaft heute schon mehr auf Frauen und die Quote geachtet wird. In einem Institut werden Frauen geschützt, finde ich, und müssen sich nicht außergewöhnlich gegenüber Männern behaupten. In der freien Wirtschaft kann das schon anders aussehen.
AJ: Trotzdem sind Sie in die Wirtschaft gewechselt.
Madlen Chao: Für meinen Geschmack war es am Institut sehr theoretisch und alle arbeiten eher im Stillen. Daher hatte ich mir für die Promotion bereits ein praxisorientiertes Thema mit Partner:innen aus der Wirtschaft ausgesucht. Ich wollte einfach ein fertiges Produkt in den Händen halten und in Funktion sehen.
Franziska Hanßke: Für mich war direkt nach der Promotion klar, dass ich aus der Forschung raus möchte. Die Forschung hat super funktioniert, aber die akademische Welt ist Grundlagenforschung und nicht für die Industrie gemacht. Ich wollte nicht nur für die Doktorand:innen nach mir arbeiten, ich wollte etwas ‚zum Anfassen‘ haben. Nach acht Jahren im Studium und Promotion musste ich ‚rein ins Leben‘.
AJ: Würden Sie den Wechsel als Wagnis beschreiben?
Madlen Chao: Es war ein Schritt aus meiner Komfortzone heraus, da die Arbeit in der Wirtschaft schon sehr anders ist. Am Ende war es aber die richtige Entscheidung für mich. Die Zusammenarbeit mit den Auftraggebenden aus verschiedensten Wirtschaftszweigen macht meinen Job sehr vielfältig.
Franziska Hanßke: Es war eher ein Schritt ins Unbekannte, weil ich ja nicht wusste, was auf mich zukommt.
AJ: Was war stattdessen das größte Wagnis Ihres Lebens?
Madlen Chao: Das größte Wagnis war wohl mein Umzug von einer sachsen-anhaltinischen Kleinstadt nach Berlin. Ich mochte Berlin am Anfang nicht – fand es laut und schmutzig. Nach einigen Monaten lernte ich aber unseren Kiez in Charlottenburg lieben.
Franziska Hanßke: Ein Wagnis war auf jeden Fall unser Hauskauf und mit 16 Jahren ein eigenes Pferd zu haben (lacht).
AJ: Welche Wünsche und Pläne haben Sie für die Zukunft?
Franziska Hanßke: Ich möchte mich natürlich weiterentwickeln und vielleicht Führungsverantwortung übernehmen. Aber momentan bin ich sehr zufrieden.
Madlen Chao: Ich hoffe, dass ich nach der Elternzeit wieder gut in meinen Job finde. Ich vermisse den fachlichen Austausch mit den Kolleg:innen. Langfristig strebe ich an, eine Leitungsfunktion zu übernehmen. Außerdem möchte ich Vorbild für andere Wissenschaftlerinnen sein, sich zu trauen und möglicherweise auch einen Weg in die Wirtschaft zu finden.
Helen Arnold für Adlershof Journal