Intelligente Düsen und Hochspannungszünder: Werkbank für Prototypen
Gute Ideen müssen den Härtetest in der Praxis bestehen. Präzise Geräte für Wissenschaft und Industrie liefern zwei Adlershofer Firmen: die Steingroß Feinmechanik und die Gesellschaft für physikalisch-technischen Gerätebau.
Draht mit Gedächtnis
Die Fassung, in die ein präzises Gewinde eingeschnitten ist, glitzert golden. Auf ihr steckt ein weißer Plastikring. Die Fassung sieht aus wie die einer Glühlampe. Und doch ist sie kein Allerweltsprodukt, sondern „eine intelligente Düse“, gefertigt von der Steingroß Feinmechanik in Adlershof.
Es geht um ein neues Verfahren der Feuerlöschtechnik, wie der 36-jährige Projekt- und Auftragsentwickler Ralf Steyer sagt. Herkömmliche Düsen arbeiten mit gläsernen Ampullen, die bei Temperaturanstieg zerspringen und das Löschwasser freigeben. Die von Steingroß gefertigte Düse besitzt dagegen einen „intelligenten“ Metalldraht. Er ist unter dem Plastikring um das Gehäuse gewickelt und verbindet zwei Kontakte. Der Draht besteht aus Nitinol, einer Legierung aus Nickel und Titan mit sogenanntem Memoryeffekt. Das Gedächtnis setzt ein, sobald 76 Grad erreicht sind. Dann nutzt der gewundene Nitinol-Draht die thermische Energie, um schlagartig wieder gerade zu werden. „Der Draht springt auf, unterbricht den Kontakt und löst den Sprinkler aus“, sagt Steyer. So wird nur dort Löschwasser frei, wo es brennt. Ein örtlich beschränkter Brand kann gelöscht werden, ohne eine ganze Halle unter Wasser zu setzen.
Die 35 Beschäftigten von Steingroß arbeiten auch komplette Systemlösungen aus. Der 59-jährige Firmeninhaber Uwe Steingroß verfolgt das Ziel, innovative Ideen in praktikable Technik umzusetzen, seitdem er vor 20 Jahren zwei ausgemusterte Fräsmaschinen aus Westberlin in seinem Köpenicker Keller wieder instand setzte, um zunächst Apparaturen für die Freie Universität Berlin zu fertigen. Heute ist sein Markenzeichen, schnell und präzise Komponenten und Prototypen mit modernster CNC-Technik im Vier- und Fünf-Achs-Fräsen fertigen zu können, was Geschäftspartner aus dem Berlin-Brandenburger Raum, aber auch bundesweit anzieht.
Oberflächen im Nanomaßstab beschichten
Steingroß befasst sich mit Vakuum- und Lasertechnik, Weltraumsensorik sowie mit Röntgen- und Medizintechnik. Über aktuelle Aufträge zu sprechen, verbietet die Pflicht zur Geheimhaltung, aber Steyer lässt so viel durchblicken, dass man einen Prozess begleite, bei dem es um die Beschichtung von Oberflächen im Nanomaßstab gehe. Vor etwa fünf Jahren zog die Firma auf das Gelände des Wissenschafts- und Technologieparks Adlershof. „Ein guter Entschluss“, betont Steingroß und lobt die vielen Möglichkeiten zur Kommunikation und Zusammenarbeit, die dieser „Topstandort“ biete.
Das sieht auch Volker Dworak so. Der 56-jährige Maschinenbauingenieur kennt das Gelände seit 1983, als er nach dem Studium zur Akademie der Wissenschaften kam. Seit 1997 ist er Geschäftsführer der Gesellschaft für physikalisch-technischen Gerätebau (BBPT), die nach der Wende von ehemaligen Mitarbeitern der DDR-Akademie der Wissenschaften gegründet wurde.
Naheliegende Kooperationen zum ISAS
Anfangs habe die Kooperation mit der Wissenschaft im Vordergrund gestanden, jetzt verlagere sich das Augenmerk mehr in Richtung Industrie, stellt Dworak fest. Das 15-köpfige Team befasst sich mit der Entwicklung und Fertigung von Einzelteilen, Baugruppen und Anlagen ebenso wie mit ingenieurtechnischer Beratung oder feinmechanischer Präzisionsarbeit. Zu den „Highlights“ der Produktion gehören Speziallichtquellen oder anspruchsvolle Hochspannungszündungen. Die Lichtquellenproblematik entstand aus der Zusammenarbeit mit dem Leibniz-Institut für Analytische Wissenschaften (ISAS), sagt Dworak. Diese Kooperation ist im wahrsten Sinne des Wortes naheliegend, schließlich befindet sich die Berliner ISAS-Filiale ebenfalls in Adlershof.
Gerätebauerfahrung zählt
BBPT entwickelte beispielsweise einen Hochspannungszünder. Dieser sorgt mit einer hochfrequenten Spannung von 50 bis 60 Kilovolt für den Funkenüberschlag zwischen den Elektroden der Xenonlampe. Auch an das Gehäuse der Speziallampen werden wegen des großen Drucks und starker Erwärmung hohe Anforderungen gestellt. Hier kommt die jahrzehntelange Erfahrung der Adlershofer Gerätebauer zum Tragen. So konnten geeignete Lampengehäuse entwickelt werden. Zu den Kunden zählen auch das Helmholtz-Zentrum für Materialien und Energie oder das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt. „Wir haben viel im Bereich der Luftfahrt gemacht“, sagt Dworak.
Die Kunden sind zurück
Die letzten zwei Jahre seien wegen der Finanzkrise nicht einfach gewesen, betont der BBPT-Geschäftsführer. Mittlerweile lasse ihn die Auftragslage wieder optimistisch in die Zukunft blicken. Ähnlich positiv beurteilt Uwe Steingroß die Aussichten für sein Unternehmen: „Mit Kurzarbeit sind wir durch die Krise gekommen, jetzt sind die Kunden zurück.“
von Paul Janositz